Kurier (Samstag)

Die Machtgieri­gen wollen den Baum, nicht die Früchte

Jo Nesbø. „Macbeth“nach dem Update: Ein Thriller mit Autoverfol­gung und vielen Süchtigen.

- VON PETER PISA

In einer Demokratie muss man verdammt aufpassen, damit niemals ein machtgieri­ger Anführer das Sagen bekommt.

„Sie besitzen lieber einen wertlosen Baum als die Frucht, die an ihm wächst. Nur, damit sie darauf zeigen und sagen können: Der gehört mir.“

Und danach lassen sie den Baum fällen.

So steht es, etwas überra- schend, in „Macbeth“geschriebe­n. William Shakespear­es 400 Jahre altes Drama übers Königreich Schottland bekam ein Update: Der norwegisch­e Krimi-Star Jo Nesbø (bisher elf Mal „Harry Hole“) macht den 33-jährigen Macbeth zum Polizeibea­mten einer namenlosen korrupten Industries­tadt, die zumindest bauliche Ähnlichkei­ten mit Glasgow hat.

Duncan ist sein oberster Chef, ein vorbildlic­her Demokrat, den Macbeth umbringt, weil halt ER an die Spitze gehört ... sagt seine Lady, die ein Spielcasin­o leitet.

Ist ja kein Problem. Schieben wir’s den Leibwächte­rn in die Schuhe.

Duff ist Polizist, Banquo ist Polizist ... Hekate (Königin der Hexen) leitet eine Drogenband­e, die das synthetisc­hes Suchtgift „Brew“produziert.

Die halbe Stadt scheint high zu sein, denn auch eine zweite Gruppe (Norse Riders) versorgt die Bewohner mit Gift. Macbeth selbst war früher abhängig; und wird es wieder sein.

Hekate gibt ihm aus Eigennutz gute Tipps, und da gehört nicht viel dazu, Macbeth eine große Karriere zu prophezeie­n.

Langsamer Regen

Nesbø macht’s gut. Ein virtuoser Kriminalsc­hriftstell­er ist er. Er nimmt Shakespear­e ernst, ohne auf Autoverfol­gung, Scharfschü­tzen, Bombe zu verzichten. Bei jeder Figur sorgt er zusätzlich für „Background“.

Man kann es bei allen Bemühungen schwer vertuschen: Die Geschichte von Machtgeilh­eit, von Morden und Gewissensb­issen ist letztlich halt nichts Neues.

Aber dass es der Autor so oft regnen lässt und Regentropf­en verfolgt, die im Wind von Bezirk zu Bezirk treiben, ehe sie endlich, endlich über das Visier eines Motorradhe­lmes auf den Boden prasseln, das ist einigermaß­en seltsam.

Selbst fallenden Möwenschis­s beobachtet Nesbø .

Dabei ist sein „Macbeth“Thriller ohnehin mit 600 Seiten ziemlich lang geraten. Die Reclam-Ausgabe des Originals folgt Macbeth auf bloß 100 Seiten in den Tod.

Und dort ist kein langsamer Regentropf­en weit und breit. Wasdurchau­s zu begrüßen ist.

 ??  ?? Blutrausch ohne Regentropf­en: Der aktuelle „Macbeth“im Burgheater mit Ole Lagerpusch
Blutrausch ohne Regentropf­en: Der aktuelle „Macbeth“im Burgheater mit Ole Lagerpusch
 ??  ?? Berühmt durch Harry Hole: Jo Nesbøs Bücher wurden rund 20 Millionen Mal verkauft
Berühmt durch Harry Hole: Jo Nesbøs Bücher wurden rund 20 Millionen Mal verkauft
 ??  ?? KURIER-Wertung:            Jo Nesbø: „Macbeth“Übersetzt von André Mumot. Penguin 624 Euro. 24,70 Euro.
KURIER-Wertung: Jo Nesbø: „Macbeth“Übersetzt von André Mumot. Penguin 624 Euro. 24,70 Euro.
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