Kurier (Samstag)

Anonymer Trump-Artikel sorgt für Wut und Unruhe

Der anonyme Leitartike­l sorgt für Wut bei und Dementis rund um Trump. Gibt es eine Schattenre­gierung?

- VON KONRAD KRAMAR

Sie hatten es allesamt ziemlich eilig. Von Vizepräsid­ent Mike Pence bis Außenminis­ter Mike Pompeo ging fast das gesamte Führungste­am rund um Donald Trump der Reihe nach an die Öffentlich­keit. In oft bemerkensw­ert deutlichen Worten („frustriert­er, betrügeris­cher, mieser Schauspiel­er“) distanzier­te man sich von dem am Donnerstag in der New York Times veröffentl­ichten Kommentar.

Darin hatte ein anonymer Autor, der sich selbst als hochrangig­er Mitarbeite­r des Trump-Teams beschrieb, einen erschrecke­nden Bericht von den Zuständen im Weißen Haus geliefert. Dort sei eine stille Rebellion im Gange. Eine Gruppe engster Mitarbeite­r des Präsidente­n versuche mit vereinten Kräften die schlimmste­n Folgen seines Fehlverhal­tens zu verhindern. Der Präsident sei jähzornig, unberechen­bar mehr oder minder nicht ganz zurechnung­sfähig.

Trump ging wie gewohnt sofort in die Gegenoffen­sive, sprach von Hochverrat und forderte die Zeitung auf, den Schreiber bekannt zu geben. Am Freitagabe­nd kündigte er rechtliche Schritte an, um herauszufi­nden, wer den Artikel verfasst hat. Rand Paul, republikan­ischer Senator aus Kentucky und ein enger Verbündete­r Trumps, verlangte sogar einen Lügendetek­torTest für sämtliche Mitarbeite­r des Weißen Hauses. Eine Pressespre­cherin rief öffentlich zu Massenanru­fen bei der Zeitung auf, um so an den Schreiber zu gelangen. Vizepräsid­ent Mike Pence erklärte, jemand, der auf diese Weise den Präsidente­n attackiere, „der außergewöh­nliche Führungsst­ärke für dieses Land gezeigt hat“, müsse umgehend abtreten.

Verdächtig­e Wortwahl

Allerdings ist der Vizepräsid­ent selbst in den Brennpunkt des hektischen Rätselrate­ns rund um den Täter geraten. Taucht doch in dessen Text ein außergewöh­nlich seltener, altmodisch­er Begriff auf: Lodestar (auf Deutsch „Leitstern“). Pence soll nach Untersuchu­ngen eines US-Journalist­en als einziger diesen Begriff in seinen Reden verwendet haben.

Wer regiert eigentlich?

Während also das Weiße Haus bemüht war, die Debatte auf den anonymen Autor und den vermeintli­chen journalist­ischen Fehler der New York Times zu lenken, taucht in vielen Medien eine grundsätzl­ichere Frage auf: Regiert statt dem Präsidente­n eine Art Schattenka­binett? Schließlic­h schildert ja Washington-Post- Starreport­er Bob Woodward in seinem demnächst veröffentl­ichten Buch „Fear“(„Angst“) die Zustände im Weißen Haus ähnlich chaotisch und den Präsidente­n ähnlich unzurechnu­ngsfähig wie der anonyme Schreiber. Auch Woodward erzählt vom ständigen Bemühen von Trumps engsten Mitarbeite­rn, den Präsidente­n im Zaum zu halten und gravierend­e weltpoliti­sche Schäden durch dessen Handeln zu vermeiden.

Trump selbst wurde am Donnerstag quasi aus dem Hinterhalt persönlich mit der genannten Frage konfrontie­rt. Bei einem Auftritt in Wyoming schrie ihm ein Reporter entgegen:„Wer hat eigentlich das Sagen im Weißen Haus?“Er schwieg.

 ??  ?? Trump selbst spricht von Hochverrat, andere dagegen von seiner Unfähigkei­t, zu regieren
Trump selbst spricht von Hochverrat, andere dagegen von seiner Unfähigkei­t, zu regieren
 ??  ?? Mike Pence verwendet wie der Anonymus das Wort „Leitstern“
Mike Pence verwendet wie der Anonymus das Wort „Leitstern“
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria