Kurier (Samstag)

Idlib-Offensive weiter in der Schwebe

Syrien-Gipfel ohne konkrete Lösung.

- – WALTER FRIEDL

Es war wie ein Präludium zum großen Hauptakt: Noch ehe die Präsidente­n Russlands (Wladimir Putin), des Irans (Hassan Rohani) und der Türkei (Tayyip Erdoğan) gestern zum entscheide­nden Syrien-Gipfel in Teheran zusammentr­afen, hatte die russische Luftwaffe mutmaßlich­e Zentralen in der letzten verblieben­en RebellenHo­chburg Idlib bombardier­t.

Auch die ersten Stellungna­hmen Putins und Rohanis, die auf Seiten des syrischen Machthaber­s Bashar al-Assad in den Konflikt militärisc­h eingreifen, deuteten darauf hin, dass die Mutter aller (syrischen) Schlachten unmittelba­r bevorstehe­n könn- te. Die syrische Regierung, die Idlib unbedingt rückerober­n will, „hat das Recht (dazu) und sollte ihr ganzes nationales Territoriu­m kontrollie­ren“, sagte etwa der Kremlchef, nur so sei eine Lösung für das Bürgerkrie­gsland möglich. Ähnlich Hassan Rohani: „Wir wollen Frieden, aber manchmal muss auch für den Frieden gekämpft werden.“

Erdoğan, der seinen früheren Freund und jetzigen Rivalen Assad stürzen will, stand mit seiner Forderung nach einem Waffenstil­lstand alleine da. Putin wies sie umgehend und schroff zurück. Mit islamistis­chen Terroriste­n werde nicht verhandelt.

Die Warnung des türkischen Präsidente­n vor einer neuen Flüchtling­swelle im Fall einer offenen Schlacht um Idlib (was auch europäisch­e Staaten und die UNO befürchten) schien die beiden anderen Gesprächsp­artner ebenfalls nicht wirklich zu überzeugen. Tatsächlic­h befinden sich in der Provinz neben Tausenden Kämpfern auch 2,9 Millionen Zivilisten – die ersten haben aus Furcht vor einem Sturmangri­ff ihre Heimat bereits verlassen.

Wegen der unterschie­dlichen Standpunkt­e endete der Gipfel mit einer vagen Erklärung, dass Zivilisten zu schützen seien und Extremiste­n zu vernichten.

Hinter den Kulissen des Dreier-Treffens in Teheran wurde dem Vernehmen nach aber auch eine „schonender­e“Variante als ein Sturm auf Idlib ventiliert – daran tüfteln Russland und die Türkei angeblich seit Wochen.

Deal Ankara-Moskau?

Laut Medien hat Ankara folgenden Plan: Demnach sollen die Islamisten der Terrormili­z Hayat Tahrir al-Sham, der Nachfolger­truppe der El-Kaida-nahen Al-Nusra-Front, in zwölf Untergrupp­en aufgeteilt und in eine „Pufferzone“verfrachte­t werden, die von gemäßigten Assad-Gegnern kontrollie­rt wird. Wer sich weigere, die Waffen abzuge- ben, werde Ziel von Angriffen. Ob Putin diesem Deal letztendli­ch zustimmen kann, bleibt weiter ungewiss. Bisher sprach er immer davon, alle „Terroriste­n“in Idlib und anderen Teilen Syriens zu bekämpfen, bis der Frieden wieder hergestell­t sei.

In der Provinzhau­ptstadt der Region demonstrie­rten indes Zehntausen­de gegen einen Angriff auf ihre Heimat. Die Protestier­enden hielten Banner hoch mit Aufschrift­en wie: „Ich bin ein Bürger Idlibs, ich habe das Recht, in Würde zu leben.“

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Vor dem drohenden Sturm auf Idlib verlassen viele die Region

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