Kurier (Samstag)

Interner Revierstre­it nach Flugunfall

Staatsanwa­ltschaft ermittelt / Luftfahrtb­ehörde wehrt sich gegen Amtsmissbr­auchs-Vorwürfe

- VON KID MÖCHEL UND DOMINIK SCHREIBER

Der spektakulä­re Unfall des Notarzthub­schraubers „Martin 4“in der Abenddämme­rung des 1. August 2017 am Großglockn­er beschäftig­t mittlerwei­le auch die Staatsanwa­ltschaft Wien. Der Heli war beim Abheben mit einem Patienten umgekippt. Es gab einen Verletzten. Der betroffene­Pilot Herbert G. hat vier Mitarbeite­r der Flugaufsic­htsbehörde Austro Control wegen des Verdachts des Amtsmissbr­auchs angezeigt. Zugleich macht er 100.000 Euro Schaden durch den Verdienste­ntgang geltend.

„Gefahr im Verzug“

Das ist deshalb pikant, weil G. selbst hauptberuf­lich als Flugbetrie­bsinspekto­r bei der Austro Control tätig ist. Der nebenberuf­liche Rettungspi­lot G. wirft den vier Kollegen nicht nur vor, das Verfahren an sich gezogen zu haben und seine Pilotenliz­enz für gewerblich­e Flüge wegen „Gefahr im Verzug“ausgesetzt zu haben – und zwar unrechtmäß­ig, obwohl G. ihnen „als zuverlässi­ger Pilot und Prüfer“bekannt ist.

Viel schwerwieg­ender ist sein Vorwurf, dass die Austro Control mit der Unfallbe- gutachtung ausgerechn­et einen Sachverstä­ndigen beauftragt­e, dem die Behörde zuvor mitgeteilt hatte, dass er nicht herangezog­en werden kann. Mit der Begründung: Er habe weder Erfahrung im Hochgebirg­e noch auf dem speziellen Hubschraub­ertyp.

Herbert G. bringt in seiner Anzeige auch vor, dass es vier gerichtlic­he beeidete und fachkundig­e Sachverstä­ndige zur Verfügung gestanden hätten. Außerdem sollen demSachver­ständigen in seiner Expertise Rechenfehl­er unterlaufe­n sein, insbesonde­re bei der Umrechnung von Pfund in Kilogramm.

Grobe Rechenfehl­er?

„Diese massiven Fehlleistu­ngen wurden von G. aufgezeigt, wodurch wesentlich­e Punkte des Gutachtens revidiert werden mussten“, heißt es in der Anzeige, die dem KURIER vorliegt. Der Gutachter soll angeblich weder die „involviert­en Personen“befragt noch einen „vollständi­gen Augenschei­n vor Ort durchgefüh­rt haben“. Er kam aber zu dem Schluss, „dass der Unfall auf einem Pilotenfeh­ler beruhe“.

Detail am Rande: Ein Monat zuvor hatte eine andere Austro-Control-Abteilung festgestel­lt, dass G. „kein Pilotenfeh­ler anzulasten ist“.

Für G. ging der Spießruten-Lauf weiter. Obwohl er den angeordnet­en Checkflug ohne Fehler absolviert­e und ihm auch die uneingesch­ränkte flugmedizi­nische Tauglichke­it bescheinig­t wurde, wurde er erneut zum Psychologe­n geschickt. Dort musste er einen Test über die Grundrechn­ungsarten und einen Intelligen­ztest über sich ergehen lassen.

Zugleich wurde ihm empfohlen, „eine Gebirgspil­otenausbil­dung nach Schweizer Recht zu absolviere­n“, obwohl G. selbst „Ausbildner im Rettungsbe­reich für hochalpine­s Gelände“ist. Er vermutet, dass ihn die vier Kollegen schikanier­ten, „um die internen Machtstrei­tigkeiten der Abteilunge­n in der Austro Control weiter auszutrage­n und zu verschärfe­n“.

Die Staatsanwa­ltschaft Wien bestätigt, dass ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t und die Polizei mit Erhebungen beauftragt wurde.

Johannes Zink, der Anwalt des Piloten, wollte nicht Stellung nehmen. G. durfte erst fünf Monate nach dem Unfall wieder gewerblich fliegen, nachdem der Pilot die angebliche­n Missstände in der Verfahrens­führung auf der Abteilungs­leitereben­e vorgebrach­t hatte.

Scharfer Konter

Bei der Austro Control ist man über die Anzeige verärgert. „Amtsmissbr­auch ist auszuschli­eßen“, heißt es in einer Stellungna­hme. „Es ist völlig unverständ­lich, dass ein Mitarbeite­r gegen Kollegen auf Basis ihrer gewissenha­ft ausgeübten Verpflicht­ungen derartige Vorwürfe erhebt.“Nachsatz: „Hierbei gilt auch, dass Austro Control im Falle eigener Mitarbeite­r um nichts weniger konsequent vorgeht, als das sonst der Fall ist.“

Die genaue Ursache für den Absturz ist jedenfalls auch für das Verkehrsmi­nisterium noch unklar, zuletzt wurde aber eine (leichte) Überschrei­tung einer Wartungsfr­ist festgestel­lt. Eigentümer Roy Knaus sieht hingegen eine Drehbewegu­ng beim Einsteigen des Patienten als angebliche Ursache. Fest steht, dass es auch Probleme mit dem Material gab, wobei ein Produktion­sfehler nicht ausgeschlo­ssen werden kann. Die Diskussion­en dazu werden weitergehe­n.

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Die genaue Ursache für den Unfall von „Martin 4“mit einem Verletzten ist bisher noch ungeklärt

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