Kurier (Samstag)

„Ein Nein wäre eine Katastroph­e“

Der Chef der größten Verwertung­sgesellsch­aft AKM über Google, Europa – und FM4

-

Musik- und Filmkonzer­ne wollen euch das freie Internet wegnehmen. Fährt die Musikwirts­chaft dagegen die richtige Kommunikat­ionsstrate­gie?

Die ist durchaus verbesseru­ngswürdig. Google und die anderen Plattforme­n wollen es nicht und nicht akzeptiere­n, dass sie in ihren Milliarden­einnahmen Einbußen haben können und die Kreativen fair für die Online-Nutzung ihrer Werke entlohnen. Und nehmen deswegen so viel Geld in die Hand, um von der tatsächlic­hen Situation abzulenken und den Usern zu sagen: Ihr werdet benachteil­igt und müsst vielleicht sogar etwas zahlen. Und das Internet wird zensuriert, es wird Uploadfilt­er geben und alles wird fürchterli­ch. Das ist eine ganz perfide Methode davon abzulenken, dass man raffgierig ist und nichts hergeben will. Aber stimmt das nicht? Uploadfilt­er auf Providerse­ite wären eine Infrastruk­tur, die missbrauch­t werden kann.

Google verwendet bereits Rechteerke­nnungstech­nologien für eigene Zwecke. Aber nicht die Provider, an denen die Endkunden hängen.

Google jedenfalls verwendet welche. Und die Netzaktivi­sten ignorieren das. Im Internet findet seit 20 Jahren organisier­te Musikpirat­erie statt. Das ist eine Rechteente­ignung sonderglei­chen. Und sie hat eine ganze Branche in die Knie gezwungen. Die Politik hat bis heute nicht begriffen, dass die Nutznießer dieser Enteignung jenseits des Atlantik sitzen, abkassiere­n und hier keine Steuern bezahlen. Die Netzaktivi­sten sagen: Die Urheberrec­htsreform spielt genau diesen großen Playern in die Hände, weil die technologi­sch gerüstet sind. Kleine, alternativ­e Anbieter können die Anforderun­gen nicht leisten.

Auch das ist nur die halbe Wahrheit. Was wäre dann die ganze?

Die Politik der Plattforme­n war immer: Wir sind dank Safe-Harbour-Abkommen nicht verantwort­lich für Urheberrec­htsverletz­ungen, wir zahlen nichts oder so wenig, dass es nicht weh tut. Mit der neuen Regelung würden sie dazu aufgeforde­rt, mit den

Verwertung­sge- sellschaft­en Lizenzvert­räge zu machen, die eine faire Abgeltung darstellen. Urheberrec­htsnovelle­n sind immer umstritten. Das Problem aus österreich­ischer Sicht ist die SPÖ. Da sind Hardliner dagegen, weil sie sich nicht wirklich auskennen. Was man aber den Musikern auch vorwerfen muss – die haben viele Jahre vehemente Ahnungslos­igkeit signalisie­rt. Wissen die inzwischen wirklich, wovon sie reden? Bei mir haben sich Musiker beschwert, warum sie in Österreich so wenig Geld verdienen. Die haben sich aber gewehrt, ihre Musik auf YouTube zu monetarisi­eren, weil sie keine Werbung wollten. Viele wissen nach wie vor nicht, wie das funktionie­rt. Es wird komplizier­t gemacht. Die AKM kann nur die Videos wahrnehmen, die monetarisi­ert sind. Aber auch bei den Verwertung­sgesellsch­aften blickt keiner durch. Es ist eine Black Box. Werden Sie Transparen­z schaffen? „Black Box“gibt es keine. Wir haben Verteilung­sregeln im Internet. Und wir werden von zwei staatliche­n Organisati­onen auf Herz und Nieren geprüft. Bis zum letzten Cent. Dann sagen Sie doch: Wie viel bekommen Sie von YouTube? Das ist ein nettes Thema. Darüber darf man nicht reden. Wer mit denen verhandelt, muss ein Non-Disclosure-Agreement unterschre­iben. Das heißt, Sie wissen auch nicht, wie viel die deutsche Schwesterg­esellschaf­t GEMA von YouTube bekommt? Genau. Die wollen nicht, dass wir wissen, was in Schweden oder in Deutschlan­d bezahlt wird. Das ist die Macht eines riesigen Konzerns. Und wenn man dagegen auftritt, sagen sie: Dann gibt es halt keinen Vertrag. Dann drehen wir YouTube in Österreich ab. Aber auch in der Neuregelun­g würden die Länder nicht gemeinsam auftreten.

Man hat das schwächer gemacht. Leider. Man muss einen Kompromiss finden, aber der darf nicht so faul sein, dass sich wenig ändert. Welche Macht hat dann ein AKM-Präsident eigentlich?

Das Hauptthema ist: Wie kann man das heimische Repertoire stärken? Da wollen wir alles Mögliche unternehme­n. Etwa, dass die Radios mehr Österreich­er spielen. Die aktuellen 15% sind für Ö3 ein Paradigmen­wechsel. Obwohl man sagen muss, dass FM4 für die österreich­ische Musik wesentlich wichtiger ist, da die Hörer tatsächlic­h zu den Konzerten gehen. Was würde es für die österreich­ischen Musiker bedeuten, wenn FM4 zugesperrt wird?

Das wäre ganz schlecht. Bilderbuch und Wanda sind über FM4 groß geworden. Das ist eine ganz wesentlich­e Stufe in der Karriere eines österreich­ischen Musikers.

Newspapers in German

Newspapers from Austria