Kurier (Samstag)

Rechtspopu­listen sind Nutznießer von Crashes

140 Jahre.

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In den zehn Jahren seit der Lehman-Pleite hat sich die Welt gehörig verändert. Auch politisch. Die Parteienla­ndschaft ist nach rechts gerückt: Ob Trumps Sieg in den USA oder die Stimmenzuw­ächse für AfD (Alternativ­e für Deutschlan­d), Wahre Finnen und Schwedende­mokraten, Lega (Italien) und Rassemblem­ent (Front) National in Frankreich: Rechtsauße­n ist auf dem Vormarsch.

Das Phänomen gilt aber nicht nur für 2008 oder die 1930er-Jahre, sondern ist historisch durchgängi­g: Das ergab eine Studie dreier deutscher Ökonomen. Sie haben die Ergebnisse von 800 Wahlen aus 20 Ländern von 1870 bis 2014 ausgewerte­t. „Das Kernergebn­is ist, dass es nach Finanzkris­en zu politische­n Verwerfung­en kommt“, sagt Co-Autor Christoph Trebesch vom IfW Kiel zum KURIER. „Rechte Parteien sind dabei die größten Nutznießer, mit einem Anstieg der Wählerstim­men für extrem rechte und populistis­che Parteien von 30 Prozent im Vergleich zu Vorkrisenw­ahlen.“Weitere Folgen seien schwindend­e Regierungs­mehrheiten, fragmentie­rtere Parlamente, mehr Polarisier­ung – und signifikan­t häufigere Straßenpro­teste, Generalstr­eiks und Großdemons­trationen. All das gilt speziell für Finanzkris­en – bei „normalen“Rezessione­n sind diese Effekte nicht feststellb­ar.

Wut auf die Eliten

Eine Erklärung lautet, dass normale Krisen oft auf externe Faktoren wie Ölpreissch­ocks zurückzufü­hren sind, die als „entschuldb­ar“gelten. Finanzkris­en und die folgenden Bankenrett­ungen würden als „unentschul­dbar“gewertet. Dass davon nicht kapitalism­uskritisch­e Linksparte­ien profitiere­n, sondern rechtspopu­listische Bewegungen, hat auch die Autoren über- rascht. „Es ist typisch, dass populistis­che Parteien das Misstrauen gegenüber den Eliten nutzen und umkanalisi­eren – in ein grundsätzl­iches Misstrauen gegenüber dem politische­n System, offenen Grenzen und einer offenen Gesellscha­ft.“Historisch hatten die Stimmzuwäc­hse fünf Jahre nach der Krise ihren Höhepunkt erreicht und waren nach zehn Jahren nicht mehr sichtbar. „Dieses Mal scheint es aber anders zu sein“, sagt Trebesch – vermutlich, weil noch weitere Schocks wie Flüchtling­sthematik, stagnieren­de Einkommen oder Terrorismu­s dazukamen. Komplettes Interview im Wortlaut

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Christoph Trebesch, Institut für Weltwirtsc­haft, Kiel
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