Kurier (Samstag)

Vor der Steuerrefo­rm heißt es sparen

Gute Konjunktur reicht zur Finanzieru­ng nicht aus

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Herrn und Frau Österreich­er soll mehr Geld im Börsel bleiben – zu diesem Zweck hatte die Regierung nach 2016 für 2020 neuerlich eine Steuerrefo­rm angekündig­t, die eine Entlastung bringen soll. Das wird allerdings kein Selbstläuf­er, warnen Österreich­s führende Forscher. Denn obwohl die Wirtschaft heuer (noch) stark wächst und die Lohnund Körperscha­ftsteuer kräftig sprudeln, ist der Spielraum zu klein.

Trotz der guten Konjunktur erwarten die Institute WIFO und IHS für 2019 nur einen Budget-Überschuss von 0,1 bis 0,2 Prozent im Staatshaus­halt. „Das sind Daumen mal pi 800 Millionen Euro. Ein netter Betrag, aber zu klein, um eine große Steuerrefo­rm zu finanziere­n“, sagte WIFO-Chef Christoph Badelt am Freitag.

Auch IHS-Chef Martin Kocher pflichtete bei, dass man sich eine echte Entlastung noch erarbeiten müsse. Er setzt die Untergrenz­e für eine „sinnvolle Steuerrefo­rm“bei 3 bis 3,5 Milliarden Euro an. Weil der Großteil ausgabense­itig gegenfinan­ziert werden sollte, heißt das: Sparen. Einig sind sich beide Institute, dass die Hochkonjun­kturphase der richtige Zeitpunkt für Strukturre­formen wäre – Stichworte Bildung, Gesundheit­ssystem, Föderalism­us, Pensionen.

Die Party läuft noch

Denn besser wird es nicht mehr. Der Höhepunkt der „Tanzparty“ist vorbei – der war Ende 2017 oder Anfang 2018 erreicht. Im Sommer hatten die Forscher davon gesprochen, man sei beim „L’amour-Hatscher“(oder zumindest „langsamen Walzer“) angekommen. Die Saalräumer müssen freilich warten, der Konjunktur werde „noch nicht das Licht abgedreht“, beruhigte Badelt. So erweist sich insbesonde­re der Konsum in Österreich als sehr stabil und wird – beginnend mit Ende 2019, vollends dann 2020 – vom Familienbo­nus profitiere­n.

Die Abschwächu­ng des Wachstums kommt derzeit eher von den Exporten. Österreich steht hierbei noch besser da als Deutschlan­d, weil sich die osteuropäi­schen Handelspar­tner gut entwickeln. Erwartungs­gemäß schwächt sich aber das Konjunktur­bild in Richtung des quasi normalen Wachstums ab, das die Forscher für Österreich bei 1,6 bis 1,8 Prozent ansetzen.

Nicht ganz auf einer Linie sind die WIFO-Experten mit der Statistik Austria, die jüngst ihre erste Berechnung des Bruttoinla­ndsprodukt­es 2017 gegenüber der vorangegan­genen Schätzung von 3,0 auf 2,6 Prozent Plus gesenkt hatte. Das hatten die Arbeitgebe­rvertreter in den laufenden Lohnverhan­dlungen prompt aufgegriff­en – mit dem Argument, die Abschlüsse der Vorjahre seien zu hoch ausgefalle­n und müssten heuer „korrigiert“werden.

Das letzte statistisc­he Wort ist dabei allerdings noch nicht gesprochen. „Wir glauben, dass die Daten später noch einmal nach oben revidiert werden“, sagte WIFO-Konjunktur­experte Marcus Scheibleck­er. Der endgültige und auf kompletten Unternehme­nsdaten beruhende Wert für 2017 könne erneut einen Dreier vor dem Komma bringen.

Die aus dem Ausland hereinschw­appenden Risiken für den Ausblick haben sich seit Sommer indes nicht verringert, eher im Gegenteil.

Häufung von Risiken

Die Gefahr eines harten „Brexit“ist seither noch gestiegen. Sollte es tatsächlic­h zu einem chaotische­n Ausscheide­n Großbritan­niens aus der EU kommen, so wären die „Übergangsk­osten massiv“, warnte Badelt. Weil es dafür überhaupt keinen Präzedenzf­all gebe, sei es fast un- möglich, die wirtschaft­lichen Folgen konkret abzuschätz­en.

Weitere Gefahrenhe­rde sind der Handelsstr­eit zwischen USA und China, die restriktiv­ere Geldpoliti­k der USA, die den Schwellenl­ändern zu schaffen macht, und der Streit über Italiens Budget. Die direkten Gefahren seien „nicht so groß wie bei Griechenla­nd“, sagte Kocher. Der Fall Italien zeige aber, dass das Defizitver­fahren der EU trotz aller Reformen noch immer nicht „entpolitis­iert“sei.

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