Kurier (Samstag)

Hacker konnteen staatliche Infrastruk­tur lahm legen

Estland. 2007 wurde das Land Zie el einer der ersten groß angelegten Cyber-Attacken auf einen Staat. Junge Russen bekannten sich dazu

- – STEPHAN POLET

Am 27. April 2007 ging es los: Mehrere Wochen lang wurden die Webpräsenz­en von estnischen Ministerie­n, Banken und Medien immer wieder lahmgelegt. Die Esten konnten keine Online-Zeitungen mehr lesen. Auch Geld per Online-Banking zu überweisen, war nicht mehr möglich.

Der Cyber-Angriff auf die Ministeriu­msseiten hat Estland besonders hart getroffen: Die Nord-Balten sind Vorreiter bei der Digitalisi­erung der staatliche­n Verwal-

tung. Schon zum Zeitpunkt der Cyberattac­ke besaß jeder Bürger eine ID-Nummer und konnte damit via Internet an Wahlen teilnehmen, seine Steuererkl­ärung machen oder ein neues Unternehme­n anmelden.

Auf der Suche nach den Übeltätern wanderte der Blick schnell nach Moskau: Am Tag, an dem der Cyberangri­ff begonnen hatte, ließ die Regierung in Tallinn ein russisches Kriegsdenk­mal aus der Hauptstadt hinaus auf einen russischen Soldaten- friedhof verlegen – sehr zum Ärger der russischen Minderheit in Estland und des Kremls. Dieser wies jedoch alle Schuld von sich, und auch mehrere Experten zweifelten an einer Mittätersc­haft der russischen Regierung: Zu dilettanti­sch sei die Attacke vorbereite­t worden.

Kreml-nahe Gruppe

Erst zwei Jahre später wurde die russische Jugendorga­nisation „Naschi“als Täter ausgemacht. Ein Vertreter der mittlerwei­le aufgelöste­n Gruppie- rung bekannte sich im Interview mit der Financial Times zu der Cyber-Attacke auf Estland zwei Jahre zuvor. „Naschi“galt als Kreml-nah. Im Interview wurde jedoch betont, man habe ohne Anleitung der Führung in Moskau gehandelt.

Bei dem Angriff 2007 in Estland handelte es sich um eine sogenannte „Denial-ofService“-Attacke (deutsch: „Verweigeru­ng-des-Dienstes“). Hierbei bombardier­en Hacker die anvisierte­n Internetse­iten mit Tausenden von Anfragen, bis die Server unter der Last zusammenbr­echen.

Um die nötige Menge an Anfragen zu generieren, haben die Cyberangre­ifer zwei Werkzeuge zur Hand: Sie können sich mit anderen absprechen, um simultan die gleichen Seiten abzurufen. Um den Angriff zusätzlich zu verstärken, werden fremde Computer gehackt, sodass diese ferngesteu­ert werden können. Ein Hacker kann somit von mehreren Rechnern gleichzeit­ig Anfragen abschicken.

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