Rot revoltiert, Türkis feiert
Vom Dialog zum „Arbeitskampf“
365 Tage auf Platz 2. Die SPÖ sucht noch Ton und Oppositionsrolle
Was tut man als designierte SPÖ-Chefin ein Jahr nach einem bitteren Wahltag?
Pamela Rendi-Wagner entschied sich dem Kanzler einen Brief zu schicken – korrekt und höflich im Ton, sie kennt Sebastian Kurz, man duzt einander. Es sei ihr wichtig, „einen guten Dialog mit allen im Parlament vertretenen Parteien zu pflegen“, schrieb Rendi-Wagner. Immerhin gebe es viele Themen, die man „gemeinsam ohne Scheuklappen“beackern könne und solle.
Dass die Regierung bei dem von Rendi-Wagner besonders hervorgehobenen „Don’t smoke“-Volksbegehren noch relevanten Verhandlungsbedarf ortet, muss eher bezweifelt werden – zu deutlich und einhellig waren die entsprechenden Absagen der Regierungsparteien.
Wohl auch deshalb veröffentlichte die SPÖ am Freitag eine „Einjahresbilanz zu Schwarz-Blau“. Und die fällt, wie nicht anders zu erwarten war, alles andere als schmeichelhaft aus. Unter „Gebrochene Versprechen & böse Überraschungen“werden allerhand Maßnahmen und Vorhaben zusammengefasst, die den Sozialdemokraten an der neuen Regierung missfallen.
Volksabstimmung
Sehr prominent, nämlich gleich am Beginn der „Bilanz“, wird von der SPÖ die Frage der direkten Demokratie thematisiert: „Versprochen wurde mehr direkte Demokratie – nun gibt es auch bei 881.560 Unterschriften keine Volksabstimmung“, heißt es da. Zudem wettert die größte Oppositionspartei gegen die Kürzung der Mindestsicherung bei Asylberechtigten sowie gegen den Sparkurs beim Arbeitsmarktservice, der AUVA und den Gebietskrankenkassen.
Prominent vermerkt wird in der roten Negativ-Bilanz auch der 12-StundenTag. Und damit ist man schon am Wiener Schwarzenbergplatz, wo am Freitag der ÖGB und führende SPÖFunktionäre sprichwörtlich vor der Haustür der Industriellenvertretung gegen die 60-Stundenwoche und den 12-Stundentag demonstrierten. „Die Gesetzesnovelle zum 12-Stundentag ist eine Entrechtung!“, donnerte FSG-Boss Rainer Wimmer. Er forderte eine „Kurskorrektur“, sprach vom „Arbeitskampf“. Und dabei klang er so gar nicht mehr wie die SPÖVorsitzende in ihrem höflichen Brief an den Kanzler.