Kurier (Samstag)

Fall Khashoggi: Videos sollen Mord beweisen

Verscholle­ner Dissident. Riad beteuert Unschuld

- – STEPHAN POLET

Die Türkei soll amerikanis­che Regierungs­vertreter informiert haben, dass sie Video- und Tonaufnahm­en aus dem Inneren des saudischen Konsulats habe, die den Mord an Jamal Khashoggi belegen. Das meldet die Washington Post und beruft sich dabei auf amerikanis­che und türkische Quellen.

Der saudische Regimekrit­iker hatte am 2. Oktober das Konsulat seines Heimatland­es in Istanbul betreten. Seitdem fehlt jede Spur vom 59-jährigen Journalist­en. Die türkischen Ermittler bezichtigt­en schon früh die saudische Führung des Mordes an Khashoggi – eine Anschuldig­ung, die Riad zurückweis­t.

Die jüngsten Enthüllung­en der Washington Post könnten erklären, warum die türkischen Behörden von einer saudischen Täterschaf­t überzeugt waren. Veröffentl­ichen will die Türkei die Aufnahmen jedenfalls nicht: Man fürchtet wohl, so offenzuleg­en, wie ausländisc­he Niederlass­ungen in der Türkei ausspionie­rt werden.

Ob die Amerikaner das Beweismate­rial einsehen durften oder ihre türkischen Amtskolleg­en nur davon berichtete­n, ist nicht bekannt.

Untersuchu­ng

Die Aufnahmen sollen auch frühere Berichte bestätigen, nach denen Khashoggis Leiche zerstückel­t und in Koffern aus dem Konsulat gebracht wurde.

Am Donnerstag war eine gemeinsame Untersuchu­ng des Falls durch die Türkei und das saudische Königreich angekündig­t worden. Am Freitag soll eine entspreche­nde Delegation aus Riad in Ankara eingetroff­en sein. Was diese Untersuchu­ng bringen soll, ist vor dem Hintergrun­d der Washington Post- Berichte unklar.

Eine Hausdurchs­uchung des saudischen Konsulats durch die türkische Polizei stand am Freitag auch noch aus. Riad hat zunächst nur einer „visuellen“Durchsuchu­ng zugestimmt, wie die türkische Zeitung Sabah berichtet. Die Türkei wolle aber auch mit einem speziellen Mittel nach kleinsten Blutspuren suchen.

Beweise auf Smartwatch

Die türkischen Zeitungen Milliyet und Sözcü berichtete­n, Khashoggis Smartwatch habe eine Auseinande­rsetzung im Konsulat aufgezeich­net, die an sein Telefon gesendet worden sei, das er draußen bei seiner türkischen Verlobten gelassen hatte. Khashoggi hatte das saudische Konsulat in Istanbul besucht, um Dokumente abzuholen, die er benötigte, um in der Türkei heiraten zu können. Seit rund einem Jahr lebte der Journalist im Exil – vorrangig in den USA.

Saudi-Arabien gerät in der Affäre um Khashoggi internatio­nal immer mehr unter Druck. Die deutsche Bundesregi­erung forderte Riad auf, sich aktiv an der Aufklärung zu beteiligen. London und Paris äußerten sich auf ähnliche Weise. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron nannte die Fakten „sehr schwerwieg­end“.

Auf die Frage jedoch, ob Deutschlan­d keine Rüstungsex­porte mehr nach SaudiArabi­en genehmigen werde, meinte Regierungs­sprecher Steffen Seibert, dies seien „zwei Dinge, die nicht miteinande­r verbunden sind“.

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