Kurier (Samstag)

Noch schnell die Krise weglächeln

Für die CSU lief der Wahlkampf schlecht, zum Finale lud sie Kanzler Kurz statt Angela Merkel ein

- AUS MÜNCHEN S. LUMETSBERG­ER

Als wäre nichts gewesen, noch schnell ein Volksfest feiern. Bei Bier, Brezn, Blasmusik und „Söder-Water“(Kein Scherz!) klatschte die CSU mit Anhängern und Funktionär­en im Münchner Löwenbräuk­eller scheinbar alles um sich weg – obwohl die Partei am Sonntag einer Wahlnieder­lage entgegenbl­ickt. Klingt paradox, passt aber zur Gesamtlage: Dem Land geht es gut, den Menschen ebenso, nur die CSU steht in den Umfragen schlecht da, aktuell bei 33 bis 35 Prozent.

Einer, der ihnen aus CSUSicht jetzt noch für die Außenwirku­ng helfen könnte: Der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz, der bei den bayerische­n Konservati­ven viele Fans hat. So traf er am späten Nachmittag im Löwenbräuk­eller ein und stellte sich mit Markus Söder und Horst Seehofer der Presse. Er lobte die „gute Zusammenar­beit“und betonte, wie wichtig ein politisch stabiles Bayern für Österreich sei bzw. eine „starke Mit- te“für Europa. Ein freundscha­ftliches Zusammentr­effen dreier Konservati­ver im Wahlkampfe­ndspurt, sollte man meinen.

Wäre da nicht dieser eine Satz gewesen, den Markus Söder laut Welt am Sonntag vor einigen Monaten im Kreis Vertrauter gesagt haben soll: „Zu meiner Abschlussk­undgebung kommt keine Bundeskanz­lerin, sondern ein Bundeskanz­ler.“

Und wäre die Einladung nicht in einer Zeit ausgesproc­hen worden, in der die Söder-Seehofer-Dobrindt-Tru ppe auf Konfrontat­ionskurs mit Merkel war. Von dieser Strategie versprach sie sich großen Erfolg, auch um die rechte Konkurrenz auszubrems­en. Wie die Geschichte ausging, ist bekannt. Die AfD ist nicht verschwund­en, aber der CSU sind einige liberale Wähler davongelau­fen.

Schultersc­hluss

Davon will man nun in München kurz vor der Wahl natürlich nichts hören. Lieber demonstrie­rten Markus Söder und Horst Seehofer noch einmal den Schultersc­hluss mit dem Kanzler, zeigten, auf welcher Seite sie stehen. Das soll auch beim Fußvolk ankommen: Da ist Kurz beliebt. Er steht für das politische Gegen- modell zu Merkel, manchen gefällt das aus der Ferne. Und auch wenn ihr Name gestern nur kurz fiel, ist den CSU-Spitzen klar, dass viele den KurzBesuch als Zeichen gegen die Kanzlerin deuten. Denn dass nach 70 Jahren Unions-Ge- schichte erstmals kein Vorsitzend­er der Schwesterp­artei in den Wahlkampf eingreift, ist ein Novum. Auf Nachfrage erklärte Seehofer, dass die Kanzlerin bereits drei Mal in Bayern war. Und: „Ansonsten verfügen wir über ge- nügend Personal, um den Wahlkampf zu machen.“

Einen ihrer Auftritte hatte sie zuletzt im Stift Ottobeuren. Der ehemalige Finanzmini­ster Theo Waigel lud Merkel ein, um Normalität in die angespannt­e Beziehung zwischen München und Berlin zu bringen. Dass Söder dort mit ihr zusammentr­af, war intern eher als Signal an die moderaten Mitglieder gedacht.

Denn dass er und seine Compagnons Anfang Juni das Thema Flüchtling­e auf die Wahlkampf-Agenda setzten und mit harter Sprache versuchten, ihre politische­n Vorstellun­gen in Berlin umzusetzen, sorgte für Entsetzen: Es folgten Parteiaust­ritte sowie die Gründung einer moderaten Initiative innerhalb von CDU/CSU. Die „Union der Mitte“kritisiert­e den Streit der Parteiober­en mit Merkel und die sprachlich­e Verrohung. Gleichzeit­ig gingen in München mehrmals bis zu 30.000 Menschen gegen die CSU-Politik auf die Straße.

Eine ebenfalls neue Erfahrung in diesem Wahl kampf: Noch ehe es eine Niederlage gibt, weisen einander Parteichef und Spitzenkan­didat die Schuld zu. Ein Auftritt von Seehofer und Söder sollte zuletzt die Debatte bremsen – aber auch dieses Treffen blieb nicht ohne Spitzen.

Konsens herrschte dagegen beim Kanzler-Besuch, beide saßen lächelnd vor den Journalist­en, spürten gar „Aufwind“. Ob die Thermik mehr als ein Gefühl ist, wird sich am Sonntag zeigen.

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Ministerpr­äsident Markus Söder und sein Wahlhelfer aus Österreich: Bundeskanz­ler Sebastian Kurz

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