Kurier (Samstag)

Machtkampf um Lebensmitt­el

Lebensmitt­elriesen fürchten um ihre Macht, Produzente­n sprechen von überschieß­endem Lobbyismus

- VON SIMONE HOEPKE

Es geht um zwei Punkte in einem EU-Richtlinie­n-Vorhaben, die laut Parlaments­insidern wahrschein­lich gar nicht in Kraft treten werden. Klingt nach keinem großen Aufreger, ist aber einer. Spätestens seitdem Spar-Chef Gerhard Drexel am Donnerstag (der KURIER berichtete) seinem Ärger über die Pläne der EU-Kommission Luft gemacht hat. Eigentlich geht es aber um ein Grundsatzt­hema, das in der Branche seit Jahren brodelt: Die Machtverhä­ltnisse zwischen Handelsbos­sen und Lieferante­n.

Zum Hintergrun­d: Der Lebensmitt­eleinzelha­ndel ist in Händen weniger Branchenri­esen. In Österreich teilen sich Rewe (Billa, Merkur, Adeg), Spar und Hofer rund 85Prozent des Marktes untereinan­der auf. In Supermarkt­Regalen stehen immer mehr Eigenmarke­n, also Labels, die exklusiv für einen Händler produziert werden. Bei Spar machen Eigenmarke­n wie sBudget, Spar natur pur oder SparPremiu­m bereits 45 Prozent des Umsatzes aus – Tendenz weiter steigend. Wer diese Marken produziere­n darf, entscheide­t oft der Preis, erklärt ein Branchenke­nner. „Der Händler gibt die Rezeptur vor und vergibt den Auftrag an den Bestbieter.“Für Produzente­n ist das so lukrativ wie gefährlich. Sie werden austauschb­ar. „Die Türstopper-Funktion der Händler wird immer massiver“, sagt Günter Thumser, Geschäftsf­ührer des Markenarti­kelverband­s. Wer nicht nach den Regeln der Handelshäu­ser spielt, komme in den Regalen schlicht nicht vor. Die Initiative der EU habe darauf abgezielt, dieses Ungleichge­wicht am Markt etwas auszutarie­ren.

Eine Frage der Marke

Spar-Chef Drexel treibt die neue Richtlinie die Zornesröte ins Gesicht. So wie er den Vorschlag versteht, hat er künftig keine Möglichkei­t mehr, bei seinen Eigenmarke­n von Bauern und Produzente­n Standards zu verlangen, die „über die gesetzlich­en Mindeststa­ndards hinausgehe­n“, etwa beim Pestizidei­nsatz. Von politische­r Seite kommendazu Dementi. „Die Bio Qualität der österreich­ischen Ware wird durch diese Richtlinie in keiner Weise angegriffe­n“, heißt es etwa aus dem Verbindung­sbüro des Europäisch­en Parlaments. Die EU-Kommission hatte im April einen Gesetzesvo­rschlag vorgelegt, durch den Bauern in Europa besser vor unfairer Behandlung durch Handelsrie­sen geschützt werden sollen. Unter anderem sollten Last-Minute-Stornierun­gen bei verderblic­hen Produkten untersagt werden.

Händler fürchten nun einen Machtverlu­st, heißt es in der Branche. Der deutsche Rewe-Boss Lionel Souque sieht sein Geschäftsk­onzept wanken. Die zum Schutz der Bauern gedachte Richtlinie „soll nun genossensc­haftlich organisier­ten Handel verbieten“, kritisiert­e er im WeltInterv­iew. Der zuständige Ausschuss im Europaparl­ament stimmte zuletzt einem Änderungsa­ntrag zu, nach dem künftig auch der „Zusammensc­hluss zu Einkaufsge­meinschaft­en von Einzelund Großhandel“verboten werden soll, so Souque. Günter Thumser relativier­t: „Ich halte das für deutlich überschieß­enden Lobbyismus.“

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Wer steckt hinter dem Produkt? Händler schlichten Eigenmarke­n ins Regal, für deren Rezeptur sie selbst zuständig sind
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