Mysteriöser Tod im Pflegeheim: Zehn weitere Exhumierungen
Alles begann mit einem kleinen Barsch aus dem Neusiedler See am Labortisch von Franz Jirsa, stellvertretender Vorsitzender des Instituts für Anorganische Chemie an der Universität Wien. „Ich hab mir gedacht, schauen wir doch mal, was da drinnen ist“, erzählt der Wissenschaftler im KURIER-Gespräch.
Das Ergebnis hat ihn dann überrascht: 0,26 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Muskelfleisch wies der kleine Fisch auf – der EUGrenzwert liegt bei 0,5 Milligramm. Grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, sind doch so gut wie alle Fische der Erde mit Quecksilber belastet – je höher in der Nahrungskette, desto stärker. „Ich war dennoch überrascht, weil man sich das von einem Fisch, der in einem Schutzgebiet wie dem Neusiedler See lebt und unbelastet sein sollte, nicht erwartet“, sagt Jirsa, der sich der Sache annahm und ins- gesamt 133 Fische acht verschiedener Arten genau unter die Lupe nahm.
„Verzehr unbedenklich“
Das Wichtigste vorweg: „Der Verzehr von Fischen aus dem Neusiedler See ist nach wie vor unbedenklich“, betont Jirsa, dem es eher um wissenschaftliche Fragen geht. „Der Neusiedler See ist ein sehr spezielles Ökosystem, über alkalische Gewässer weiß man sehr wenig.“Deshalb wurde in Kooperation mit der Biologischen Station Illmitz ein Forschungsprojekt gestartet, mit dem man der Sache auf den Grund gehen will. Denn Quecksilber kann entweder über die Luft oder aus thermischen Quellen kommen. Laut Jirsa könnten Methanquellen im See verantwortlich sein.
Wenn Quecksilber einmal in einem Organismus vorhanden ist, baut es sich nur sehr langsam wieder ab. Das ist auch der Grund dafür, dass Raubfische auf- grund ihrer höheren Stellung in der Nahrungskette eine stärkere Belastung aufweisen als andere Fische.
Bei den 133 untersuchten Tieren aus dem Neusiedler See lagen nur zwei unter dem sogenannten „Umweltqualitätsziel“für Quecksilber, das bei 0,02 Milligramm pro Kilogramm Fisch liegt. In größeren Fischen wie dem Zander, Barsch und Hecht fanden die Forscher durchgehend zwischen 0,05 und 0,49 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Muskelfleisch.
Globale Problematik
„Die Problematik ist seit 2011 bekannt. Seither gibt es immer wieder Studien und Untersuchungen, die sich mit dem Thema befassen, und natürlich laufend Messungen“, sagt Herbert Szinovatz, Referatsleiter Umweltwirtschaft im Land. Generell sei aber zu sagen, dass Quecksilber in Nahrungsmitteln ein globales Problem sei: „Am Neusiedler See werden wir das nicht lösen können.“
Tatsächlich zeigen Untersuchungen von Global 2000 und der AGES, dass Quecksilber in so gut wie allen Fischen zu finden ist. „Sogar wenn sie aus Alpenseen stammen“, sagt Szinovatz. „Die Hälfte der globalen Quecksilberemissionen ist natürlichen Ursprungs, die andere Hälfte stammt vom Menschen“, sagt Jirsa. Er geht davon aus, dass auch die tierischen Fischkonsumenten des Neusiedler Sees, also beispielsweise Reiher oder Fischotter, stark mit Quecksilber belastet sind. Das könne man auch nicht ändern, sagt Jirsa, außer „der Mensch würde aufhören, Kohle zu verheizen“. Der Wissenschaftler betont, dass er mit der Studie auf keinen Fall Panik verbreiten möchte. „Die Quecksilberbelastung in Thunfischen aus den Weltmeeren ist mit Sicherheit höher als jene in den Fischen des Neusiedler Sees.“ Ermittlungen. Sie sollen hilflose Patienten gequält und erniedrigt haben, doch haben sie auch ihr Sterben beschleunigt? Seit zwei Jahren wird gegen fünf ehemalige Mitarbeiter des Pflegeheims St. Clementinum ermittelt, im Vorjahr wurden auch die Leichen zweier Heimbewohnerinnen exhumiert. Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass den beiden Frauen ein entwässernd wirkendes Arzneimittel (Furosemid, Anm.) verabreicht wurde, obwohl es dafür gar keine Verordnung gab. Der Gutachter stellte in seinem Bericht schließlich fest, dass dieses Mittel den „Todeseintritt (...) erheblich begünstigt“haben könnte.
Wie der KURIER erfuhr, sollen nun mindestens zehn weitere Leichen exhumiert werden. „Diese Exhumierungen wurden zwar noch nicht durchgeführt, sind aber in Planung“, betont der Erste Staatsanwalt Leopold Bien. Es stelle sich die Frage, ob hinter der Verabreichung des Mittels „System“stecken könnte, heißt es.
Fehlende Akten
Für Aufregung sorgte auch der mysteriöse Umstand, dass im Falle der beiden bisher untersuchten Verstorbenen die Patientendokumentation fehlt – die Gerichtsmediziner bemängelten diesen Umstand in ihren Berichten. Zum KURIER heißt dazu aus dem Umfeld des Heims, dass die Unterlagen mittlerweile nachgereicht worden seien: „Die Zettel waren in der falschen Ablage.“
Die Beschuldigten haben seit dem Beginn der Ermittlungen immer ihre Unschuld beteuert. Im September des vergangenen Jahres wurde bekannt, dass zwei der Verdächtigen in der Folge in einer Pflegeeinrichtung in Wien tätig waren. Dies sorgte neben deren kurzfristiger Festnahme für Diskussionen um die rechtlichen Möglichkeiten eines vorläufigen Berufsverbots.