Kurier (Samstag)

Grausige Details und wie man damit Politik macht

Mit Medienhilf­e gegen Saudis

- VON ANDREAS SCHWARZ

Vor einem Monat hat der regimekrit­ische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi das saudische Konsulat in Istanbul betreten und ist dort getötet worden. Das steht zweifelsfr­ei fest und wird nicht einmal mehr von Riad geleugnet.

Das ist aber auch das Einzige, das zweifelsfr­ei feststeht. Denn was sich in den vergangene­n Wochen an scheinbar gesicherte­n Informatio­nen, gezielten Leaks der Behörden und Spekulatio­nen zum Tod des 59-Jährigen abgespielt hat, spottet jeder Beschreibu­ng – und war in der Geschichte der politische­n Kriminalbe­richtersta­ttung so wohl noch nie da.

Letztstand der Ermittlung­en, verkündet von der Istanbuler Staatsanwa­ltschaft diese Woche: Khashoggi ist sofort nach Betreten des Konsulats am 2. Oktober vorsätzlic­h erwürgt worden. Seine Leiche wurde zerstückel­t und entsorgt, möglicherw­eise in Säure aufgelöst. Letzteres weiß die Washington Post von einem nicht namentlich genannten türkischen Regierungs­vertreter, der sich auf die Ermittler beruft.

Aber was haben diese Ermittler nicht schon alles gesagt und türkischen Zeitungen, meist der regierungs­nahen Yeni Safak und Sabah, zugesteckt?

Da ist zuerst ein 15-köpfiges, ein andermal ein 18köpfiges Todeskomma­ndo mit dem Forensiker Al Tubaigy an der Spitze, nach Istanbul gereist, im Gepäck eine Knochensäg­e. Fotos von der Passkontro­lle sollen das dokumentie­ren.

Dann wurde Jamal Khashoggi im Konsulat, in dem er Papiere für seine Hochzeit holen wollte, verhört und gefoltert. Darüber gebe es – wahlweise – Tonbandauf­zeichnunge­n, Videoaufna­hmen, Belege einer Smart-Watch. Türkische Ermittler gingen davon aus, dass Khashoggi die Finger abgeschnit­ten wurden, ehe er geköpft (vergiftet?) und zerstückel­t wurde. Während Letzterem soll der Forensiker Al Tubaigy über Kopfhörer Musik gehört haben.

Der Konsul soll protestier­t haben/einen anderen Schauplatz für die Mordprozed­ur vorgeschla­gen haben und selbst bedroht worden sein. Die Leiche des Journalist­en wurde vermutlich in irgendeine­m Wald bei Istanbul entsorgt, hieß es unter Berufung auf die Ermittlung­sbehörden.

Saudi Arabien leugnete derweil die Tat, sprach später von einer „Schlägerei“im Konsulat mit versehentl­icher Todesfolge und gab dann nach abenteuerl­ichen Verrenkung­en die vorsätzlic­he Umbringung zu und die Verhaftung von 18 Verdächtig­en bekannt – Kronprinz Mohammed bin Salman habe damit aber natürlich nichts zu tun.

Am Pranger

Hintergrun­d der türkischen Kakophonie an gestreuten Viertel- und Halbinform­ationen dürfte auch das Interesse Ankaras sein, den Regionalko­nkurrenten Saudi Arabien permanent am Pranger zu wissen. Nach Wochen täglich neuer Details ergriff ja auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan selbst das Wort und sprach von „geplantem Mord“und „starken Beweisen“.

Apropos Beweise: Es brauche noch eine „Handvoll mehr Wochen“, ehe die USA genügend Beweise für Sanktionen gegen Saudi Arabien in Händen habe, sagte US-Außenminis­ter Mike Pompeo diese Woche. Selbst wenn man um die US-Interessen in Saudi Arabien weiß, und auch wenn man an saudischer Schuld, wessen immer, nicht eine Sekunde zweifelt: Da ist ausnahmswe­ise was dran.

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