Europas Finanzwelt im Fitness-Check
Stresstest. Kapitalpolster von Erste Group und RBI zwar verbessert, im Krisenfall aber unter dem EU-Schnitt
Das Skript könnte zu einem gerade zu Halloween beliebten Horrorfilm gehören: Die Wirtschaft stürzt in eine Rezession, die drei Jahre anhält. Dadurch steigt die Zahl der Arbeitslosen deutlich an. Die Immobilienpreise verfallen, die Aktienkurse stürzen ab, und auch die Staatsanleihen werden weniger wert.
Halten das die Banken aus oder taumeln sie hilflos, wie es zu Zeiten der Finanzkrise passiert ist? Alle zwei Jahre unterziehen die Europäische Zentralbank (EZB) und die oberste EU-Bankenaufsicht, die EBA, die Institute einem „Stresstest“. Diese müssen beweisen, wie sie mit den Belastungen zurechtkämen.
Kein Durchfaller
Insgesamt mussten sich heuer 48 Institute aus 15 EULändern und Norwegen dem Check unterziehen. Aus Österreich waren Erste Group und Raiffeisen Bank International (RBI) dabei. Am Freitagabend wurden die Ergebnisse veröffentlicht.
Ein „Durchfallen“gab es nicht. Inoffiziell gilt aber als Richtwert, dass selbst im schlimmsten Stressfall die Kapitaldecke (harte Kernkapitalquote) nicht unter den Schwellenwert von 5,5 Prozent fallen sollte. Gleich vorweg: Diese Latte hat im jüngsten Test keine Bank gerissen.
Die österreichischen Banken seien heute besser aufgestellt als vor der Krise, betonten die Vorstände der Finanzmarktaufsicht (FMA), Klaus Kumpfmüller und Helmut Ettl. Sie dürften sich aber auf dem verbesserten Kapitalpolster nicht ausruhen, sondern müssten ihn weiter aufstocken. Im ärgsten Szenario lagen die Austro-Kandidaten unter dem Schnitt der Euroraum-Banken (9,9 Prozent).
Der Kapitalpolster der Erste Group fiele auf 8,5 Prozent. Die Raiffeisen Bank International könnte sich immerhin auf eine Kapitaldecke von 9,7 Prozent stützen.
Am schlechtesten schnitt überraschend die britische Großbank Barclay’s ab, die im Krisenfall nur noch über einen Kapitalpolster von 6,37 Prozent verfügen würde. Wenig besser schnitt Rivale Lloyd’s ab (6,8 Prozent).
Italienische Sorgen
Die Ergebnisse der italienischen Geldhäuser waren mit besonderer Spannung erwartet worden. Diese sitzen auf einem hohen Berg an faulen Krediten und sind wegen Roms lockerer Budgetpolitik unter Druck geraten. Ein Sorgenkind ist die Banco BPM, die im Krisenfall nur auf magere 6,67 Prozent käme. Die UBI Banca mit Sitz in Bergamo war im Test die fünftschwächste Bank (7,46 Prozent), hingegen hielt sich die Bank-Austria-Mutter Unicredit mit 9,34 Prozent vergleichsweise wacker.
Unter den deutschen Geldhäusern schnitt die NordLB am schwächsten ab, sie könnte nur noch mit 7,1 Prozent Kapitaldecke rechnen. Enttäuschend auch die Deutsche Bank (8,1 Prozent), während die Com- merzbank (9,9 Prozent) durchschnittlich abschnitt.
Experten hielten den diesjährigen Test für strenger als die Belastungsproben vor zwei und vor vier Jahren. Kritiker bemängelten allerdings, dass der Ausfall von Staatsanleihen, die die Banken in ihren Büchern haben, zu wenig berücksichtigt wurde – was gerade für italienische Häuser relevant wäre.
Direkte Konsequenzen haben die Testresultate übrigens nicht. Die Aufseher zie- hen die Ergebnisse aber dafür heran, um den Instituten mehr Kapital vorzuschreiben, falls sie das für nötig halten. Die Aufsicht könnte dann auch anordnen, dass die Bank keine Boni und Dividenden mehr ausschütten darf.