Lebensart
der vier Jahre in Kriegsgefangenschaft war – auch das ist eine der meistgenannten Ursachen für ein Kriegstrauma. „Die hatten dort alle nichts zu essen“, erzählt der 92-Jährige. „Ich habe einen Knochen, den ich mitgenommen hatte, 97-mal ausgekocht.“
Trauma oder Demenz?
Im Alter können sich Traumata auf unterschiedliche Weise zeigen. Häufig stehen Betroffene mitten in der Nacht auf und gehen rastlos umher. Manchmal verweigern sie Körperkontakt, lassen sich etwa ungern waschen. Auch das Umkleiden für die Nacht kann problematisch sein, wenn sich Traumatisierte weigern, einen Schlafanzug anzuziehen und lieber voll bekleidet zu Bett gehen. Manchmal verstecken Betroffene auch Lebensmittel.
Außenstehende wundern sich über ein solches Verhalten, die Hintergründe sind aber oft naheliegend. „Diese Personen wollen angezogen zu Bett gehen, damit sie im Falle eines Bombenalarms jederzeit bereit sind, in den Luftschutzkeller zu gehen“, erklärt der deutsche Traumatherapeut Udo Baer. „Verstecken sie ihr Essen, liegt dahinter der Wunsch, einen Notvorrat zu haben, wenn die Versorgung zusammenbricht. Die Altersheime wissen das oft nicht und gehen darum nicht richtig damit um.“
Oft werden die Folgen von Kriegstraumata nicht erkannt, weil sie mit DemenzSymptomen verwechselt werden. „Meinen Beobachtungen zufolge sind sogar bis zu 40 Prozent aller Symptome, die einer Demenz zugeordnet werden, Traumafolgen“, sagt Baer. In vielen Fällen gebe es allerdings keine klare Trennlinie zwischen posttraumatischer Belastungsstörung infolge eines Traumas und Demenz, erklärt die klinische Psychologin Elke Schmidl aus dem Pflegewohnhaus Leopoldstadt. Eine Demenz könne die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung noch verstärken. „Vor allem im Anfangsstadium spielen sich die demenzbedingten Abbauprozesse gerade in jenen Hirnbereichen ab, die auch ein Trauma und die damit verbundenen Emotionen kontrollieren", sagt Schmidl.
Ihre Emotionen zu kontrollieren, musste auch Anna R. lernen. Jahrelang hatte sie gar keine Zeit, traurig zu sein, erzählt sie. Und heute? Heute wundert sie sich. „Jetzt habe ich das alles erleben müssen, und dann werde ich auch noch so alt.“