VdB sorgt sich um Ruf Österreichs
Bundespräsident Alexander Van der Bellen lobt UNO-Migrationspakt
Appell an die Regierung. Das Staatsoberhaupt hat sich in die Debatte um den UNOMigrationspakt eingeschaltet, den die Bundesregierung ablehnt. Der Pakt ist rechtlich unverbindlich und enthält Grundsätze, wie global mit der Migrationskrise umgegangen werden könnte. Österreich habe sich „in Fragen der Menschenrechte ... den Ruf eines aktiven und verlässlichen Partners in der Weltgemeinschaft erworben. Diesen Ruf sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen“, ließ Van der Bellen am Freitag via Facebook wissen. Er lobte den UNO-Migrationspakt und appellierte an die Regierung, den „drohenden Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit Österreichs auf internationaler Ebene abzuwenden“.
Gespräch mit Koalition
Der Bundespräsident kündigte an, mit dem Bundeskanzler und der Außenministerin Gespräche führen zu wollen.
Indessen nehmen die Proteste gegen den Ausstieg von Türkis-Blau aus dem UNO-Migrationspakt zu. Auf einer Internet-Plattform haben bisher rund 100.000 Bürger symbolisch für den Pakt unterschrieben. – Rund 60 bekannte österreichische Kunst- und Kulturschaffende haben einen Aufruf unterzeichnet, mit dem auf die internationale Tragweite des Ausstiegsbeschlusses von ÖVP und FPÖ hingewiesen wird.
Überraschend deutlich meldete sich nun Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum UNO- Migrationspakt zu Wort. Er begrüßt den von Österreich mitausverhandelten Pakt, der keine bindende Wirkung für Einzelstaaten entfaltet, aber „zahlreiche vernünftige Vorschläge beinhaltet, wie den Herausforderungen der weltweiten Migration mit Augenmaß, Menschlichkeit und Kontrolle begegnet werden kann“, erklärt Van der Bellen auf Facebook. Am Mittwoch kündigte die Regierung an, dem Pakt nicht beizutreten. Dieser gibt Empfehlungen ab, wie UN-Mitglieder gemeinsam Migration in geordnete Bahnen lenken könnten.
Der Bundespräsident erwartet, dass die Regierung alles tun werde, „dendrohenden Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene abzuwenden“. Schließlich sei „die Stärkung eines effektiven Multilateralismus“auch im Regierungsprogramm festgeschrieben. Dafür trage „Österreich als EU-Vorsitzland besondere Verantwortung“.
Van der Bellen will mit Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenministerin Karin Kneissl reden, um auszuloten, was Österreich tun könne, „damit wir angesichts vieler globaler Herausforderungen die gute Gesprächsebene mit unseren internationalen Partnern beibehalten“.
Auch der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky macht sich Sorgen. Österreich war an der Erarbeitung der UN-Vorschläge bis zuletzt beteiligt und ist dann plötzlich abgesprungen. „Ich hoffe nicht, dass das ein internationales Beispiel wird“, sagte Vranitzky zum KURIER.
Der Disput über Österreichs Migrationspolitik findet auch auf EU-Ebene statt. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte gestern in einem Interview mit dem deutschen Inforadio rbb, dass die deutsche Migrationspolitik nach Merkel nicht „auf die Linie des Bundeskanzlers und des FPÖ-Chefs und Vizekanzlers Heinz-Christian Strache kommen darf“.
Europa-Minister Gernot Blümel wehrte sich sofort gegen „Ratschläge oder Zuru- fe“von Asselborn. Blümel: „Einem Politiker, der für eine verfehlte Willkommenskultur wie im Jahr 2015 steht, mag das nicht gefallen.“
Protestwelle
Österreichweit gehen die Proteste gegen den Ausstieg aus dem globalen Migrationspakt weiter. Bis Freitagnachmittag haben rund 100.000 Bürger symbolisch den Migrationspakt unterschrieben. Die zivilgesellschaftliche Initiative #aufstehn hat die Aktion gestartet. Durch den Austritt aus dem Migrationspakt lehne die Regierung „grundlegende Menschenrechte“ab, isoliere sich global und stehe „Seite an Seite mit Trump und Orbán gegen 190 Staaten weltweit“, heißt es im Begleittext.
Knapp 60 bekannte österreichische Kunst- und Kulturschaffende halten den Ausstieg aus dem UNO-Pakt ebenfalls für ein „Alarmzeichen, wie und wohin sich die Regierung international orientiert und welche Auswirkungen das innerhalb Österreichs hat“, steht im Aufruf. Die Künstler sprechen von einer „Schande Österreichs“.
„Nicht sinnvoll“
Der Menschenrechtsexperte und Völkerrechtler Manfred Nowak sieht im Migrationspakt einen Vorschlag, „große globale Probleme in den Griff zu bekommen und Migration in geordnete Bahnen zu lenken“. Jetzt abzuspringen findet er „nicht sinnvoll“. Österreich verschließe dadurch die Augen vor großen Problemen.