Streitfall Mindestsicherung ungelöst
Bringt Reform 14 Millionen Ent- oder Belastung? – Bundesregierung erhöht Druck
Die türkis-blaue Reform der Mindestsicherung wird mehr und mehr zum Streitfall mit dem rot-grünen Wien.
ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel, der ja auch als Minister in der Bundesregierung sitzt, fordert die Stadtregierung auf, die Reform ehebaldigst umzusetzen. „Die Mindestsicherung in Wien ist unter Rot-Grün zu etwas geworden, was sie nie hätte sein dürfen, nämlich ein de facto bedingungsloses Grundeinkommen“, sagt Blümel. Es würden Steuergelder an Menschen vergeben, die „eigentlich arbeiten können, aber vielleicht nur nicht wollen“, meint der Kanzleramtsminister.
Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) weist die Kritik klar zurück. Kanzler Kurz und seine Getreuen „verstehen das Prinzip einfach nicht“. Die Mindestsicherung sei kein Einkommen, sondern in acht von zehn Fällen eine Aufstockung des zu geringen Lohns oder der zu geringen Arbeitslosenunterstützung. Kürze man die Mindestsicherung, kürze man sie für alle – den angeblich integrationsunwilligen Zuwanderer und den brav arbeitenden Familienvater aus Österreich, der aber leider arbeitslos geworden ist.
„Echt widerlich“ist für Hacker, dass die Debatte über die Kinder geführt werde. Es soll ja ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro pro Monat geben. Hacker: „Ich bin wirklich fassungslos. Die ÖVP geht vom Privileg der Geburt aus, der Erstgeborene sei mehr wert. Es muss aber jedes Kind gleich viel wert sein. Kein Kind kann etwas für die Armut, in der es aufwächst.“
„Unerträglich“sei auch, dass Sozialministerin Beate Hartinger-Klein den LandesSozialreferenten einen ersten Verhandlungstermin erst am Freitag 14. Dezember um 18.00 Uhr zugestanden habe.
Dem nicht genug, herrscht über die erzielbare Einsparung durch die Reform Verwirrung. Die Bundesregierung spricht im Gesetzesentwurf zunächst von einer Er- sparnis von 14,5 Millionen Euro bis 2022. Bei österreichweiten Kosten für die Mindestsicherung von 977 Millionen (2017) ein denkbar geringer Betrag. Aber offensichtlich ist hier ein Fehler unterlaufen.
Von den 14,5 Millionen Euro ist gleich zwei Mal die Rede: Einmal als Entlastung, einmal als Belastung. Was stimmt jetzt? Viel spricht dafür, dass die Reform tatsächlich Mehrkosten verursachen könnte. Denn: Der Alleinerzieherbonus und der Aufschlag für Menschen mit Behinderung sind in der Kalkulation teurer als die Kürzungen bei Kindern und subsidiär Schutzberechtigten bringen.