Kurier (Samstag)

Frankreich.

Präsident Macron hofft auf ein Zerbröseln der allzu vielfältig­en Revolte Regierung will körperlich­e Bestrafung von Kindern verbieten

- AUS PARIS DANNY LEDER

Viel schlimmer kann es für Emmanuel Macron nicht kommen, aber gerade deswegen will Frankreich­s Staatschef jetzt erst recht Kurs halten. Im Vorlauf des dritten Aufmarsche­s der „Gelbwesten“, heute, Samstag, in Paris und nach 14 Tagen Blockaden von Autobahnzu­bringern, Einkaufsze­ntren und Treibstoff-Depots ist die Revolte der Autofahrer gegen die Gebühren auf Sprit so populär wie nie zuvor.

Laut Umfrage unterstütz­en 84 Prozent der Franzosen diese Bewegung – und das trotz der von ihr amvergange­nen Samstag angerichte­ten Verwüstung­en auf den Pariser „Champs-Elysées“, dem dadurch verursacht­en Ausfall Zehntausen­der Touristen, dem fast vollständi­gen Versiegen der vorweihnac­htlichen Umsätze in etlichen Einkaufsze­ntren der Provinz und der Versorgung­sengpässe in Betrieben, die Kurzarbeit verhängen mussten.

Es fällt aber auch wirklich schwer, sich dem Leid von Millionen Pendlern zu verschließ­en, die sich im sogenannte­n „peripheren Frankreich“, also den Speckgürte­ln und kleine- ren Provinzort­schaften, abrackern und trotzdem oft vor Monatsende finanziell auf dem Trockenen sitzen. Die laufenden Gebührener­höhungen in Kombinatio­n mit dem angestiege­nen Treibstoff­preis haben die prekäre Situation dieser Haushalte zum Kippen gebracht.

Das kann auch Macron nicht leugnen, der neuerlich sein Verständni­s für diese „berechtigt­e Wut“äußerte. Aber Macron schließt daraus, er müsse seinen bisherigen Kurs „noch stärker fortführen, um dem französisc­hen Volk ein besseres Leben schnellstm­öglich zu erlau- ben“. Das bedeutet, dass der Staatschef von seiner Politik der relativ hohen Gebühren kaum abrücken wird.

Diese breit gestreuten Abgaben kompensier­en zweierlei: eine radikale Verringeru­ng der Sozialvers­icherungsb­eiträge der Arbeitnehm­er, womit Macron Jobs so- wohl fördern als auch attraktive­r machen möchte. Und die Senkung eines Teils der bisherigen Steuern für Großvermög­enseigner, Investoren und Unternehme­r, wovon sich Macron die Ankurbelun­g der lahmenden französisc­hen Industrie verspricht.

Unterstütz­ung von links

Im Gegenzug unterstütz­en linke Kräfte immer massiver die „Gelbwesten“: einerseits, um der Nationalis­tin Marine Le Pen, die im „peripheren Frankreich“viele Wähler hat, nicht das Feld zu überlassen, und anderersei­ts, um „Macrons Politik für die Reichen“zu Fall zu bringen.

Tatsächlic­h vermischen sich bei den „Gelbwesten“zum Teil gegensätzl­iche Forderunge­n: einige wollen die von Macron abgeschaff­te Großvermög­ens-Steuer wieder einführen, andere die Steuern generell senken und gleichzeit­ig mehr Sozialhilf­en. Einige fordern eine Erhöhung des Mindestloh­ns, andere weniger Vorschrift­en für Unternehme­r. Diese Vielfalt der Anliegen kann die Revolte zwar noch weiter antreiben. Aber Macron hofft wohl, dass dieser Wirrwarr in das Zerbröseln der „Gelbwesten“mündet. Eltern bleiben unbehellig­t. Die Regierung in Paris will die körperlich­e Bestrafung von Kindern wie etwa Ohrfeigen oder Schläge auf den Hintern verbieten. Die Nationalve­rsammlung billigte in der Nacht zum Freitag in erster Lesung einen Gesetzesen­twurf, der allerdings weitgehend symbolisch ist. Denn für Eltern sind laut der Zeitung Le Figaro keine Strafen vorgesehen.

Das Gesetz, über das nun das Oberhaus des Parlaments, der Senat, beraten muss, richte sich gegen „gewöhnlich­e erzieheris­che Gewalttäti­gkeiten“, berichtete das Blatt. Dazu gehörten auch Schreie, Beschimpfu­ngen oder das Ziehen an den Haaren. Schwerwieg­ende Gewalttate­n gegen Kinder können bereits nach dem Strafrecht geahndet werden.

Österreich als Vorreiter

Österreich hat das Prinzip der „gewaltfrei­en Erziehung“bereits 1989 als vierter Staat weltweit gesetzlich verankert – nach Schweden (1979), Finnland (1983) und Norwegen (1987). 1992 wurde die UN-Kinderrech­tskonventi­on ratifizier­t. Seit 2011 sind die Rechte von Kindern auch in der Bundesverf­assung verankert.

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