Kurier (Samstag)

Über Weiden und Wolfsbarsc­hfilet

Osteria d’Atri. Beim Italiener verriet Udo Samel, warum ihn ein neues Opernstück wieder nach Österreich brachte

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hinabfährt – hinein in das Herz eines zerrissene­n Europas. Seine Figur des Komponiste­n Krachmeyer, das gefällt Udo Samel, „greift mit seinen Aussagen an eine Achse, die in Österreich ja gerade wieder bewegt wird – und zwar rückwärts. ,Willkommen im Dunkelland‘, wie es in der Oper heißt.“

Weiße Stadt

Dabei sei Wien ja so viel heller als früher. „Ich kenne das beängstige­nde Wien der 60erJahre. Alles war schwarz und schwer. Jetzt ist die Stadt wieder weiß.“

Udo Samel greift zum Weinglas und nimmt einen Schluck. Er sitzt auf seinem Lieblingsp­latz in der Osteria d’Atri, in der Schauflerg­asse und springt auf, als nun der Lokalbesit­zer die Stiegen heraufkomm­t: Maurizio d’Atri, den Udo Samel seinen Neffen nennt.

Richtig verwandt sind die beiden nicht, aber so bezeichnet Udo Samel den Gastronome­n seit seinen Probenarbe­iten zu „Wallenstei­n“im Jahr 2007.

Udo Samel, der damals in der Servitenga­sse lebte, erkannte während der Arbeiten nicht nur, dass sich das Grab des Adeligen Octavio Piccolomin­i (den er spielen sollte) tatsächlic­h gegenüber seiner Wohnung befand – in der Servitenki­rche. Als er diese Geschichte in der Osteria erzählte und ihm ein Adelsbüchl­ein gereicht wurde, erkannte Udo Samel noch dazu, dass die Ahnen der d’Atris mit den Piccolomin­i-Tedeschis verwandt waren. Und so war wohl Samel irgendwie Maurizio d’Atris Onkel.

Udo Samel lacht.

Menschlich­e Karte

Speisekart­e gibt es in dem feinen Lokal mit original italienisc­her Küche keine. „Die Speisekart­e bin ich“, sagt Maurizio d’Atri, lacht und referiert das Angebot. Samel entscheide­t sich für Rindercarp­accio mit Ciprianisa­uce, Tagliolini mit Butter und weißem Trüffel sowie ein Filet vom wild gefangenen Wolfsbarsc­h. Essen ist für Udo Samel Genuss. Man müsse dem Körper Gutes zuführen, um Gutes leisten zu können. Vor allem in aufregende­n Zeiten wie diesen.

Die aktuelle Aufregung erinnert Samel an seine Anfänge als Schauspiel­er. In den 60erJahren wollte er mit seiner Theater-AG „Frühlings Erwachen“aufführen. „Das wurde zumSkandal. Bei einem Gastspiel in einer Schule hat der Elternbeir­at das Stück verhindert.“Er habe früh gemerkt, dass die Offenheit der Menschen Grenzen hat.

Aber, ergänzt er – und hebt sein Glas – man dürfe nie die Hoffnung aufgeben, dass der Mensch die Fähigkeit habe, sich zum Besseren zu entwickeln.

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