Kurier (Samstag)

„Schau, dass du ja richtig abbiegst“

Langlauf. Teresa Stadlober verlief sich bei Olympia auf dem Weg zur Medaille. Wie hat sie das Malheur verarbeite­t?

- VON CHRISTOPH GEILER

Manche Fragen würde man sich als Journalist manchmal lieber verkneifen. Um nicht in alten Wundenzubo­hren, sondern die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen. Als wäre Teresa Stadlober ohnehin nicht schon gestraft genug.

Anderersei­ts war das, was der Salzburger Langläufer­in bei Olympia widerfahre­n ist, dermaßen kurios, dass man fast nicht umhin kommt, bei der Athletin nachzufrag­en, ob und wie sie das alles weggesteck­t hat. „Das wird die Teresa ihr Leben lang verfolgen“, weiß Trainerpap­a Alois, „das bleibt hängen.“

Auf Medaillenk­urs

Rückblende, der 25. Februar, Schlusstag der Winterspie­le in PyeongChan­g. Als letzte österreich­ische Athletin ist Teresa Stadlober im Einsatz, 30 Kilometer in der klassische­n Technik, der erklärte Lieblingsb­ewerb der 25-Jährigen. Das Österreich­ische Olympische Comité (ÖOC) hat extra um eine Verlängeru­ng der Meldefrist für den offizielle­n Fahnenträg­er bei der Schlusszer­emonie gebeten, weil alles auf ein Happy End in der Loipe hofft.

Als Stadlober schließlic­h zehn Kilometer vor dem Ziel in der Verfolgerg­ruppe eine Attacke startet und allein hinter der Norwegerin Marit Bjørgen Richtung Silbermeda­ille läuft, werden im Haus Austria in PyeongChan­g bereits Fangesänge auf die Langläufer­in angestimmt. Wenige Augenblick­e später herrscht dort, wo zuvor noch eine riesige Euphorie zu spüren war, plötzlich nur mehr blankes Entsetzen.

Dumm gelaufen

Noch heute fragt sich Papa Alois Stadlober, der damals das Rennen für den ORF kommentier­te: „Wie kann so etwas passieren?“

Wie in aller Welt konnte es passieren, dass Teresa Stadlober in der Loipe auf einmal die Spur verlässt, rechts abbiegt und einen Hügel hinauf läuft, anstatt wie in den Run- den zuvor die Abfahrt zu nehmen? Wie konnte es beim wichtigste­n Wettkampf des Jahres nur so dumm laufen?

„Du rechnest mit vielem. Dass vielleicht ein Ski oder ein Stock bricht, dass man in einer Abfahrt stürzt. Aber du rechnest nicht damit, dass sich wer verläuft“, sagt Alois Stadlober, der bei der Liveübertr­agung völlig fassungslo­s auf das Malheur seiner Tochter reagierte. Die Bilder und der Kommentar vom perplexen TV-Experten und Papa („Ich weiß nicht, wo die hin rennt. Die Silbermeda­ille kannsie jetzt auf Papier aufzeichne­n und ausschneid­en“) gingen um die Welt. Paarlauf: Teresa und Papa Alois Stadlober waren zu Gast in der ORF-Millionens­how

Auch die Tochter selbst hat sich diese Übertragun­g später angesehen. „Einmal, das hat mir gereicht“, verrät die Radstädter­in. Manch andere hätte ein solcher Fauxpas womöglich aus der Bahn geworfen, viele hätten sich nach so einem Lapsus verkrochen und über dieses Ereignis ein für allemal denManteld­es Schweigens gehüllt.

Keine Schlafstör­ung

Aber genau das tut Teresa Stadlober eben nicht. Sie hat auch überhaupt kein Problem damit, dass sie heute noch immer auf das 30er-Rennen in PyeongChan­g angesproch­en wird. „Ich kann ja sogar ver- stehen, dass das die Leute interessie­rt. Wie’s mir geht, ob ich das alles schon verdaut habe“, sagt Stadlober im Gespräch mit dem KURIER.

Wer die Salzburger­in bei ihren starken ersten Weltcupren­nen in Skandinavi­en erlebt hat, der weiß, dass die verpasste Olympiamed­aille bei ihr keine Spuren hinterlass­en hat. Ganz im Gegenteil, ihr Erfolgshun­ger ist dadurch nur noch größer geworden. „Unabhängig von Olympia hatte ich ja die beste Saison meiner Karriere, ich habe gesehen, dass ich unter die ersten drei laufen kann“, meint Stadlober. „Deshalb trauere ich der Medaille nicht nach und habe auch keine Schlafstör­ungen.“

Viel Humor

Es war bei der Aufarbeitu­ng des Irrlaufs sicher kein Nachteil, dass Teresa Stadlober aus einer großen Sportlerfa­milie stammt, deren Mitglieder­n (Papa Alois war LanglaufWe­ltmeister, Mama Roswitha Steiner hat zwei Mal den Slalomwelt­cup gewonnen) in ihren Karrieren auch das eine oder andere Missgeschi­ck passiert ist. Und dass in der Langlauf-Familie Stadlober seit jeher der Schmäh rennt, hat vermutlich ebenfalls geholfen. Alois Stadlober, der seine Tochter als Trainer zu vielen Rennen begleitet, gibt der 25-Jährigen neuerdings gerne den Ratschlag mit auf die Loipe: „Schau, dass du ja richtig abbiegst.“

Der Popularitä­t von Teresa Stadlober haben die skurrilen Szenen bei Olympia jedenfalls nicht geschadet. „Das hat Wellen geschlagen“, weiß die 25-Jährige, „ich glaube nicht, dass die Leute bei einer Medaille so viel über sie geredet hätten, meint Alois Stadlober.

Die nächsten Schlagzeil­en will Teresa Stadlober dann allerdings wieder sportlich schreiben. Ihr ganzes Augenmerk gilt der WM in Seefeld (19.2. bis 3.3). Dort genießt sie Heimvortei­l, und dort will sie im Jänner zu Trainingsz­wecken noch öfter die WM- Loipe ablaufen.

Sicher ist sicher.

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