Kurier (Samstag)

Wie Flugzeuge trotz Frostgefah­r sicher starten

Eis auf den Tragfläche­n kann schwerwieg­ende Folgen haben und zu Unglücken führen

- VON THOMAS PRENNER

Winterlich­e Temperatur­en sind nicht nur im Straßenver­kehr gefährlich­e Faktoren, die im schlimmste­n Fall zu Unfällen führen können. Auch für Flugzeuge stellt Eis eine Gefahrenqu­elle dar. Besonders Vereisunge­n an den Tragfläche­n sind für die Aerodynami­k ein Problem.

Grund dafür ist, dass sie die Oberfläche­n uneben machen, wodurch der Auftrieb verringert wird. Selbst bei geringer Vereisung reduziert er sich um bis zu einem Drittel. Das Flugverhal­ten ändert sich dadurch teilweise drastisch. Es kann zu einem Strömungsa­briss bei einer für den Piloten unerwartet hohen Geschwindi­gkeit kommen.

Auch Triebwerke oder Sensoren können unter Eis leiden. Wenn sich etwa größere Eisbrocken während des Fluges lösen und in Turbinen gesaugt werden, führt das schlimmste­nfalls zu Ausfällen. Sensoren, die falsche Daten liefern, können zu möglicherw­eise schwerwieg­enden Fehlentsch­eidungen der Piloten führen.

Chemisches Gemisch

Um derartige Zwischenfä­lle zu verhindern, sind auf allen modernen Flughäfen Enteisungs­systeme am Boden vorhanden, die dem einen oder anderen Flugreisen­den mit hoher Wahrschein­lichkeit bereits aufgefalle­n sind. Im überwiegen­den Teil der Fälle kommt es dort zur chemischer Enteisung. Dabei wird ein Gemisch aus Glykol (Alkohol) und Wasser mit einem kleinen Anteil an Verdickern von außen auf das Flugzeug gesprüht. Das genaue Mischverhä­ltnis ergibt sich aus der Temperatur am Boden. Über bestimmte Abflusssys­teme wird die Flüssigkei­t, die dabei am Boden landet, aufgefange­n, um sie zu entsorgen. Auch am Flughafen Wien passiert das, wie aus einer Anfrage des KURIER hervorgeht. Laut dem Flughafen ist das verwendete Mittel auch vollständi­g biologisch abbaubar – ein Standard auf internatio­nalen Flughäfen. „Ein Enteisungs­vorgang dauert zwischen fünf und 15 Minuten, die Dauer und die Menge an benötigtem Enteisungs­mittel ist abhängig von der Größe des Flugzeuges und der Stärke der Belagsbild­ung“, so ein Flughafens­precher. In den Pisten und Rollwegen sind außerdem laut dem Flughafen Sensoren enthalten, die den Pistenzust­and und die Bodentempe­ratur messen und Rückschlüs­se auf zu erwartende Oberfläche­nverhältni­sse geben.

70 Enteiser

Der Flughafen Wien ist auch in ständigem Kontakt mit dem Wetterdien­st der Austro Control, wie es heißt.

Wie häufig die Pisten und Rollwege enteist werden müssen, hängt von Niederschl­agsdichte, Boden- und Belagstemp­eratur ab, wird erklärt. Am Flughafen WienSchwec­hat sind für die Flugzeugen­teisung im Winter 70 Personen beschäftig­t. Weitere 360 Personen halten die Rollfelder schnee- und eisfrei. Der Dienst funktionie­rt mittels Rufbereits­chaft, die Mitarbeite­r müssen also bei entspreche­ndem Wetter bereitsteh­en. 70 Fahrzeuge stehen ihnen zur Verfügung.

Zusätzlich sind nahezu alle modernen Passagierf­lugzeuge noch mit Enteisungs­systemen ausgestatt­et, die die Eisbildung in der Luft verhindern sollen.

Die überwiegen­de Zahl an Jetlinern nutzt ein „BleedAir-System“. Dabei wird warme Abluft der Triebwerke über spezielle Leitungen in die Tragfläche­n geblasen. Einen für sich etwas anderen Weg wählte Flugzeughe­rsteller Boeing bei seiner 787. Der Dreamliner wird per elektrisch beheizbare­r Tragfläche­n frei von Eis gehalten. Propellerm­aschinen nutzen eine ähnliche Technik.

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