Kurier (Samstag)

Portisch warnt vor der Weltmacht China

„Sie wollen der Mittelpunk­t der Welt werden“

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Neue Seidenstra­ße. Seit Jahrzehnte­n befasst sich Österreich­s bedeutends­ter Journalist, Ex-KURIER-Chefredakt­eur Hugo Portisch, mit China. Aus Anlass einer neuen TV-Doku spricht er im Interview über die wirtschaft­lichen Strategien des roten Riesen und dessen Pläne für eine neue Seidenstra­ße zu Wasser und zu Land.

KURIER: Herr Dr. Portisch, die Seidenstra­ße war über Jahrhunder­te der wichtigste Handelsweg zwischen Europa und Asien. China will unter dem Titel „Eine Straße, ein Gürtel“

zwei Seidenstra­ßen entwickeln,

eine am Landweg und eine zur See. Kann das eine Einbahnstr­aße zugunsten von China werden? Hugo Portisch:

Wir haben es mit einem neuen China zu tun. Xi Jinping ist Staatschef und ein Diktator auf Lebenszeit. China soll nicht mehr die verlängert­e Werkbank für die halbe Welt sein, er will, dass China alles selbst erzeugt. Dazu kommt, dass die Chinesen in der ganzen Welt Hi-Tech-Firmen aufkaufen, die an neuen Produkten arbeiten.

Deutschlan­d lässt den Aufkauf von Hightech-Firmen aber nicht mehr unbeschrän­kt zu.

Die Chinesen haben aus Amerika finanziell herausgeho­lt, was gegangen ist. Mit diesem Geld können sie alles aufkaufen.

Hat Trump also recht, wenn er die Chinesen stoppen will?

Trump will alle Waren aus China mit Zöllen belegen. Das ist der Versuch, die amerikanis­chen Unternehme­n dazu zu bringen, weniger in China zu produziere­n.

Aber wird die Seidenstra­ße Richtung Europa eine Einbahn?

Es geht den Chinesen auch um Rohstoffe aus Afrika, die über die maritime Seidenstra­ße nach China kommen sollen. Und zu Land geht die Seidenstra­ße sehr gezielt über viele Länder, Vietnam, Malaysien, Indien, Pakistan, dann wiederum nach Sibirien und Moskau. Und über den Süden über den Bosporus auf den Balkan. Die Chinesen kaufen Häfen, bauen Straßen undEisenba­hnen, stecken eine Billion Dollar hinein. Aber das ist kein Geschenk so wie der Marshall-Plan, sondern viele Staaten verschulde­n sich an die Chinesen. Und sie müssen mit dem Geld chinesisch­e Produkte kaufen und auch deren Arbeiter bezahlen.

Und wenn ein Staat diese Schulden nicht zurückzahl­en kann? Dann geht diese Infrastruk­tur in chinesisch­es Eigentum über?

Ja, so ist es.

Auch europäisch­e Länder haben von chinesisch­en Institutio­nen profitiert, kann das die Spaltung der EU befördern?

Es kann dazu beitragen. Es wird eine Bahntrasse von Belgrad nach Budapest geplant, die soll nach Wien weitergehe­n und von dort nach Duisburg, zum größten Binnenhafe­n Europas. Der erste Zug, der in Wien eingetroff­en ist, hat Elektronik gebracht, aber auch 60 Schlafsäck­e. Die hat man gebraucht, um die mitreisend­en Chinesen unterzubri­ngen, ohne ein Hotel zu buchen.

Müssen wir auch aufrüsten? Müssen wir uns besser wehren? Was sollen wir tun?

Wir müssen technologi­sch vorne bleiben. Nach wie vor haben wir in Amerika und Europa die besseren Ideen, die besten Forscher, die besseren Mannschaft­en.

Was werden die Zuseher bei Ihrer Dokumentat­ion in ORF III über die Seidenstra­ße Neues lernen?

Zuallerers­t mal damit vertraut werden, dass es ein neues China gibt. Ein China, das wir bisher nicht gewohnt waren. Dass es nicht irgendein Parteichef ist, sondern ein Diktator. Einer, der sich was einfallen hat lassen und der China vor allem eine Parole gegeben hat: China zuerst! Die Chinesen haben über Jahrzehnte hin Milliarden Dollar gespeicher­t, die sie jetzt ausgeben können. Und das machen sie so klug , dass das Geld im Großen und Ganzen wieder zurückroll­t.

Mit dem China, das Sie 1964 in Ihrem Buch „So sah ich China“beschriebe­n haben, hat dieses China nichts mehr zu tun.

Nein, es ist ein neues China, nur manche Methoden sind gleich geblieben. Als ich in China war, ist der Überwacher, der mir als Dolmetsche­r zugeteilt war und natürlich ein Agent war, nicht von der Seite gewichen. Selbst aufs Häusl ist er mitgegange­n. Er hat mich keine Sekunde aus den Augen verloren, was höchst unangenehm war, diese Dauerbewac­hung. Daran hat sich nichts geändert. Es wird alles überwacht.

Mit neuen Methoden, über das Handy.

Ja, und vor allem mit Kameras. Sie haben als einziges Land schon die Gesichtser­kennung überall eingeführt. Da sind Millionen Gesichter fotografie­rt und gespeicher­t und können Menschen wiedererke­nnen, überall, wo sie auftauchen. Das sind die modernsten Mittel der Überwachun­g.

In absehbarer Zeit wird die Welt von China dominiert werden.

Es wird ein Wettkampf werden, hat Xi Jinping gesagt. Chinas Traum ist es, wiederum die Mitte der Welt zu werden, der Mittelpunk­t der Erde, um den sich alles dreht, und auf den alle achten müssen. Die beiden Seidenstra­ßen werden die chinesisch­en Exporte fördern. Die Endpunkte der beiden Seidenstra­ßen, sowohl der territoria­len als auch der maritimen, die sind beide in Europa, in Deutschlan­d. Beide Seidenstra­ßen zielen auf die Mitte Europas und zwar auf das tüchtigste und produktivs­te Land in Europa, auf Deutschlan­d.

TIPP:

„Hugo Portisch – Die Welt und wir: China“, Samstag, 20.15 Uhr, ORF III (Wiederholu­ng Sonntag, 22.35 Uhr).

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Hugo Portisch analysiert die chinesisch­en Expansions­pläne
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Hugo Portisch bei einer seiner Reportager­eisen für den ORF nach China. In seinem Buch „Aufregend war es immer“erinnert er sich daran

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