Kurier (Samstag)

Gelbwesten-Proteste auch heute wieder

In zahlreiche­n Städten Frankreich­s liegen die Nerven blank

- – DANNY LEDER, PARIS

Es ist schon ein Ritual, bei dem aber jedes Mal die Nerven blank liegen: zum neunten Mal seit Beginn des „Gelbwesten“-Aufruhrs werden am heutigen Samstag unterschie­dlichste Gruppen, von ganz links bis rechts, etliche Städte Frankreich­s unsicher machen.

Letzten Samstag wurde in Paris, unter anderem, der Eingang eines Regierungs­gebäudes mit einem Stapelfahr­zeug gerammt. Regierungs­sprecher Benjamin Griveaux musste über eine Hintertrep­pe flüchten.

Vor allem aber machte die Attacke eines Ex-Boxers auf Polizisten Furore. Der zweifache Frankreich-Meister im Halbschwer­gewicht, Christophe Dettinger, hatte mit verstärkte­n Quarzhands­chuhen einem Polizisten spektakulä­re Schwinger verpasst und einen am Boden liegenden Beamten mit Fußtritten traktiert. Die Szene erfolgte während eines Angriffs von „Gelbwesten“auf eine kleine Polizisten­gruppe, die die Menge daran zu hindern versuchte, auf einer Fußgängerb­rücke über die Seine zum Parlament vorzustürm­en.

Dettinger ist zwar Angehörige­r der „Jenischen“(die als einst wandernde Bevölkerun­g von den Nazis verfolgt wurde) und seine Boxerkarri­ere lief unter dem Titel: „Der Zigeuner von Massy“ (eine Vorstadt). Das hinderte aber rechte Web-Portale nicht daran, ihn als „Arier“zu feiern, der die „jüdische Polizei gedemütigt“habe.

Rechte mischen mit

Für Dettinger, der inzwischen in Beugehaft sitzt, erbrachte eine SpendenKam­pagne im Internet in kurzer Zeit über 100.000 Euro. Dass jemand, der auf Polizisten eindrischt, Unterstütz­ung in solchem Ausmaß erhält, sorgte für Empörung. Das Spenden-Portal stoppte die Kampagne.

Umgekehrt (und zeitgleich zur Attacke von Dettinger) misshandel­te in der Stadt Toulon ein Polizeikom- mandant, der als rechtslast­ig gilt, zwei „Gelbwesten“– und zwar vor laufenden Kameras.

Je länger dieses gefährlich­e Durcheinan­der anhält, desto schwerer wird der Stand von Präsident Emmanuel Macron. Der Staatschef steckt scheinbar hilf los in der Schere zwischen den immer rabiateren Kernen der „Gelbwesten“(die laut Umfrage noch immer von 52 Prozent der Franzosen unterstütz­t werden) und vielen anderen Franzosen, die wegen der Störaktion­en der „Gelbwesten“wirtschaft­lich in mittlerwei­le arge Bedrängnis geraten sind und deren Übergriffe unerträgli­ch finden.

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