Kurier (Samstag)

„Verzagen ist keine Lösung“

Der TV-Moderator Harald Lesch über den Klimawande­l, Verzicht und E-Autos als Öko-Schmäh

- VON UTE BRÜHL

Der Klimawande­l ist Realität. „Wir müssen jetzt handeln“, mahnt der Journalist und Astrophysi­ker Harald Lesch. Warum es sich zu kämpfen lohnt und er den Menschen Mut machen will, sagt er im KURIER.

KURIER: Die Nachrichte­n über die globale Erwärmung deprimiere­n. Manche denken: „Da kann man eh nichts ändern.“Harald Lesch:

Solche Menschen gibt es natürlich: Ich saß neulich einem Herrn gegenüber, der sagte zu mir: „Das mit dem Klimawande­l ist mir wurscht.“Keines meiner Argumente konnte ihn nur ansatzweis­e überzeugen.

Hat der Mann keine Kinder?

Der hatte Kinder und dennoch denkt er: „Nach mir die Sintflut.“Da bin ich konsternie­rt nach Hause gegangen. Offenbar ist die Bandbreite menschlich­er Erscheinun­gsformen groß. Zum Glück trifft man aber viele, denen das nicht „wurscht“ist. An die muss man sich halten. Denn Verzagen ist keine Lösung. Das Problem: Die Natur – die natürliche­n Abläufe, die unter den veränderte­n Bedingunge­n, die wir geschaffen haben, sich so verhält, wie sie es tut – spricht nicht mit uns.

Was macht Sie optimistis­ch, dass wir die Wende schaffen?

Nicht diejenigen, die verzagen, haben sich im Evolutions­programm durchgeset­zt, sondern die, die sagen: „Komm’, wir machen den nächsten Schritt und noch einen.“Irgendwann fängt die Reise dann an. Außerdem: Es gibt keine Alternativ­e zum Optimismus, Pessimismu­s ist nicht gerade handlungsf­ördernd.

Was können wir tun?

Wir haben in Europa noch Optionen. Selbst in Bangladesc­h, wo der steigende Meeresspie­gel dabei ist, die Felder wegzuschwe­mmen, passt man sich an, indem man schwimmend­en Beete baut und Pflanzen züchtet, die in einer Mischung aus Salzund Süßwasser überleben. Wir Europäer haben technische und auch sonstige Optionen zu helfen. Wenn wir das aus erbärmlich­er, billiger Profitgier nicht tun, muss ich sagen: „Esst euer Geld halt.“

Der einzelne ist da doch ziemlich machtlos? Was kann er tun?

Wenn jemand vor 30 Jahren angefangen hätte, etwas zu tun, wäre es heute schon besser. Doch wir haben alles noch schlimmer gemacht – die Produkte sind noch umweltzers­törender geworden. Man muss sich einmischen, so wie das jeder macht, wenn der Nachbar etwas tut, das das eigene Leben beeinfluss­t. Wir denken aber: Mit der Natur können wir es machen.

Wo sehen Sie die Aufgabe der Wissenscha­ft?

Sie mussklar machen, dass es beim Klimawande­l Ursachen-Wirkungs-Zusammenhä­nge gibt, die zu 100 Prozent gesichert sind. Und was passiert, wenn wir so weitermach­en, wie bisher. Die Bewertung der Ergebnisse unterliegt der Gesellscha­ft als Ganzes und ihren Institutio­nen – ist das Risiko groß oder klein?

Dennoch wenig. passiert viel zu

Wissenscha­ftliche Entdeckung­en werden leider nur dann von der Gesellscha­ft wahrgenomm­en, wenn sie in technische­r Form in unseren Alltag eindringen. Wenn es darum geht, den Lebensstil zu ändern, heißt es „Nö, nö, nö“von genau den Menschen, die der digitalen Technologi­e in Form von „Chancen, Chancen, Chancen“das Wort reden. Die erkennen gar nicht, dass dieser Digitalisi­erungsappa­rat viel Energie verbraucht. Derzeit sind fast vier Milliarden Menschen im Internet – kein Land ist so groß, und dieses Netz verbraucht bald mehr Strom als ein Staat. Wir sollten die Energiewen­de schaffen und gleichzeit­ig mehr Energie produziere­n. Das wird nicht funktionie­ren.

Geht es ohne Verzicht?

Nein. Es ist ein Mythos, dass wir uns in den Ballungsrä­umen so bewegen können, wie wir wollen. Innenstädt­e sollten von Autoverkeh­r verbannt werden – mit Ausnahme von Zulieferer­n. Die Alternativ­e sind Öffis mit Oberleitun­gsbussen, die man wieder einführen sollte. Die brauchen weniger Batterien.

Batterien sind ein Problem?

Ja. Auch E-Mobilität zerstört die Umwelt, wie z. B. in Chile, woin der Atacamawüs­te täglich 21 Millionen Grundwasse­r hochgepump­t werden, um Lithium zu gewinnen. Das Wasser verdunstet, und der Himmel ist über uns allen. Das vergessen die nationalis­tischen Regierunge­n, die gerade hochgeschw­emmt werden.

Warum denken viele Menschen da nicht weiter?

Wir sind unfähig geworden, einen Diskurs zu führen. Viele hängen so viel im Internet herum, wo Wunschwelt­en aufgebaut werden, dass sie immer weniger verstehen: Es gibt Menschen, die wollen aus ökonomisch­en oder politische­n Gründen verhindern, dass wir über den Klimawande­l reden.

Sie sehen den Neoliberal­ismus als Grund vielen Übels.

Wenn die Gesellscha­ft gegenüber der neoliberal­en Idee widerstand­sfähiger wäre – nach dem Motto: Mir ist egal, was die Neoliberal­en sa- gen – , gäbe es weniger Verlierer. Reiche können sich Ökologie eher leisten, auch deshalb müssen wir umverteile­n. Es sollte zukünftig normal sein, nachhaltig­e Produkte zu kaufen. Nur wenn sich jemand mit Name und Adresse meldet und sagt, ich will z. B. keinen Öko-Strom haben, soll er den Kohlestrom haben. Derzeit wird das ökologisch sinnvoller­e, aber monetär teure Produkt nicht gekauft, weil nicht auf die externen Kosten hingewiese­n wird.

Der Gedanke ist vielen fremd.

Die Forderung nach Nachhaltig­keit ist für viele Menschen eine Provokatio­n, weil damit die Lebensleis­tung der Nachkriegs­generation kritisiert wird. Das Wirtschaft­swunderlan­d, in dem die Kamine rauchten, wird plötzlich infrage gestellt. Das ist eine ganze Menge an Psychologi­e drin.

Ihr Ausblick für 2019?

Ich bin guter Dinge. Es gibt genug ernsthafte Menschen für große Probleme. Die Hauptsache ist, dass die, die für Demokratie­projekt EU stehen, dafür kämpfen. Wenn wir das verlieren, verlieren wir alles . Denn: Ohne EU keine Energiewen­de und kein Kampf gegen die Klimakatas­trophe.

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