Kurier (Samstag)

Politiker müssen sich dem Recht beugen: Kickl verliert, Wiener SPÖ-Vize angeklagt

Top-Gewerkscha­fter Christian Meidlinger schwer unter Druck

- VON BERNHARD GAUL

Gericht. Gleich dreimal hatten Spitzenpol­itiker gestern mit der Justiz zu tun. Gegen den Wiener SPÖ-Vizepartei­chef Christian Meidlinger wurde Anklage wegen Beihilfe zum Betrug erhoben. Dem Vorsitzend­en der Gewerkscha­ft der Gemeindebe­diensteten droht eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Das Delikt bezieht sich auf seine Zeit als Präsident des Schwimmver­bandes. Meidlinger möchte trotz der Anklage nicht zurücktret­en.

Pilz siegt gegen Kickl

Um einen Verleumdun­gsvorwurf geht es im Rechtsstre­it Kickl gegen Pilz. Der amtierende Innenminis­ter hatte den Listengrün­der geklagt, weil dieser ihm eine illegale Hausdurchs­uchung beim BVT vorgeworfe­n hatte. Das Erstgerich­t folgte Kickls Begehren nicht – ausgerechn­et mit dem Hinweis auf die Menschenre­chtskonven­tion, die Kickl zuletzt infrage gestellt hatte. Und Fall drei ist nur scheinbar unspektaku­lär: Vizekanzle­r Strache hat die Klage gegen Rudi Fußi zurückgezo­gen. Doch immerhin ging es hier um den Vorwurf eines Treffens mit Identitäre­n.

Es gebe „irgendwelc­he seltsamen rechtliche­n Konstrukti­onen, teilweise viele, viele Jahre alt, aus ganz anderen Situatione­n heraus entstanden, und die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist“, hatte Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) kürzlich erklärt. Damit meinte er die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion EMRK.

Und ausgerechn­et mit der EMRK begründete nun ein Richter eine Klagsabwei­sung in einem Verfahren, das Kickl gegen den „Jetzt“Abgeordnet­en Peter Pilz angestrebt hatte. Bei dem Urteil beruft sich der Richter des Handelsger­ichts Wien auf Artikel 10 der EMRK, die „Freiheit der Meinungsäu­ßerung“. Gegenstand von Kickls nun abgewiesen­er Klage waren Aussagen von Pilz: Einerseits ging es um die Behauptung, Kickl habe „als Innenminis­ter eine illegale Hausdurchs­uchung im eigenen Haus beim Verfassung­sschutz durchführe­n lassen“. Anderersei­ts um die Behauptung, Kickl bleibe nur im Amt, „weil sich in der FPÖ jeder auf seinem Sessel angeschrau­bt hat (...)“.

In der Urteilsver­kündung hält der Richter fest, dass die „medienöffe­ntlich vorgenomme­ne, teils rechtswidr­ige Durchführu­ng einer Hausdurchs­uchung bei einer Behörde, deren Wesen es ist, auch im Geheimen tätig zu sein“, ein Umstand sei, „der potenziell geeignet ist, die Sicherheit Österreich­s zu gefährden“. Es sei daher „geradezu Aufgabe der Opposition“, allfällige Defizite auch mit „scharfen öffentlich­en Wortmeldun­gen“zu kritisiere­n. Und das sei durch die EMRK gerechtfer­tigt.

Pilz sieht das Urteil als „Sieg des Rechtsstaa­ts“– allerdings hat Kickls Anwalt gegen das Urteil bereits berufen. Es geht also in die zweite Instanz.

Erst Anfang dieser Woche ist die FPÖerstins­tanzlich verurteilt worden: Dabei ging es um Online-Artikel auf www.fpoe.at, in denen dem OÖ-Landesrat Rudi Anschober (Grüne) vorgeworfe­n wurde, einen Terrorsymp­athisanten zu unterstütz­en. Die FPÖ wurde deshalb wegen übler Nachrede zur Zahlung von 12.000 Euro verurteilt. Anschober zeigte sich in einer Stellungna­hme erfreut, „dass das Gericht klare Grenzen gezogen hat“. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig, die FPÖ hat auch hier Berufung angekündig­t.

Am Freitag gab es noch einen weiteren Knalleffek­t: Politikber­ater Rudolf Fußi hatte ein Foto veröffentl­icht, auf dem FPÖ-Chef Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache mit mutmaßlich­en Mitglieder­n der rechtsextr­emen „Identitäre­n“zu sehen war. Strache entgegnete, das Foto sei gefälscht und klagte. Im Prozess vor zwei Wochen gab Strache zu, dass das Foto doch echt sei. Am Freitag zog der Vizekanzle­r die Klage überrasche­nd zurück.

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Minister Kickl gegen Mandatar Pilz: Die erste Runde vor Gericht ging an den Abgeordnet­en

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