„Israel und Österreich profitieren von einander“
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde über Staatsräson und Boykott
Rivlin eine ganz klare Haltung gegenüber rechtsnationalen und rechtsextremen Parteien wie die FPÖ, AfD und die Partei von Le Pen hat. Er nimmt sich normalerweise kein Blatt vor den Mund.
Gibt es von der israelischen Seite den Versuch einer Aufweichung dieses Boykotts?
Auch das müssen Sie die Vertreter beider Staaten fragen. Grundsätzlich hat sich an den Gründen für die Haltung Israels nichts geändert. Es gibt 50 antisemitische und neonazistische Vorfälle der FPÖ, seit sie in der Regierung ist. Konsequenzen gab es fast nie.
Bei seinem letzten IsraelBesuch im Juni 2017 hat Bundeskanzler Kurz in einer Rede vor dem American Jewish Committee in Jerusalem gesagt, er betrachte – wie die deutsche Bundeskanzlerin – die Unterstützung Israels durch Österreich als „Staatsräson“. Das sei eine moralische Verpflichtung und im nationalen Interesse, sagte der Kanzler. Wie erklären Sie diese Staatsräson einem jungen Menschen?
Mehr als sechs Millionen Juden wurden getötet. Jetzt gibt es einen israelischen Staat. Der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky war der erste, der nicht nur von österreichischen Opfern, sondern auch von österreichischen Tätern gesprochen hat. Und glauben Sie mir, es waren nicht wenige Täter. Dass man dann für das Existenzrecht des einzigen jüdischen Staates eintritt, war bis jetzt in Österreich nicht selbstverständlich. Sebastian Kurz hat es zur Staatsräson erklärt und das verdient Anerkennung.
Viele Juden haben in den vergangenen Jahren wegen des steigenden Antisemitismus ihre Heimat in Europa verlassen. Gibt es auch österreichische Fälle?
Wir investieren sehr viel in Sicherheit und haben eine hervorragende Zusammenarbeit mit der Polizei. Jüdische Schulen, Synagogen, das Elternheim, die jüdischen Einrichtungen sind so gut gesichert wie nirgendwo sonst in Europa. Leider muss das sein. Aber hinzu kommt, dass Wien eine lebenswerte und sichere Stadt ist. Das ist der Grund, warum bis jetzt noch kaum jemand ausgewandert ist, außer vielleicht der Liebe wegen.
Ist die jüdische Gemeinde Österreich gewachsen? in
Wir haben jetzt 8000 Mitglieder. Vor dem Zweiten Weltkrieg haben 200.000 Juden in Österreich gelebt. Unmittelbar nach dem Krieg waren es 1700. Antisemitismus lässt viele nachdenken. Der Gedanke, ob man als Jude hier noch leben kann, ist so präsent, wie schon lange nicht mehr.