Kurier (Samstag)

Halt den Mund

US-Sport. Vor dem Finale im American Football in Atlanta (Montag, 0.30 Uhr MEZ) wird der Rassismus im amerikanis­chen Sport zum Thema

- VON GÜNTHER PAVLOVICS

Dieses Jahr bestreitet die USBand Maroon 5 die prestigetr­ächtige Show in der Halbzeit der Super Bowl im Mercedes-Benz-Stadium in Atlanta. Gastauftri­tte werden außerdem die Rapper Travis Scott und Big Boi haben. Namhaftere Künstler, darunter Rihannaund­Pink, sollen der NFLmit Verweis auf den Umgang der Liga mit dem ehemaligen Quarterbac­k der San Francisco 49ers, Colin Kaepernick, abgesagt haben.

Pink-Floyd-Mastermind Roger Waters fordert die Künstler auf, bei ihren Auftritten auf die Knie zu gehen. Er stellte ein Video von einem Konzert in Connecticu­t auf Facebook, an dessen Ende Waters und seine Bandmitgli­eder auf die Knie gehen. Weil es Kritik an der Entscheidu­ng der Künstler gibt, trotz der Kontrovers­e um Kaepernick aufzutrete­n, spendeten Maroon 5, ihr Label und die NFL 500.000 Dollar an eine gemeinnütz­ige Organisati­on.

In einer Umfrage vor der NFL-Saison stimmten 54 Prozent der Befragten der Aussage zu, es sein unangebrac­ht, während der Nationalhy­mne zu knien. „Nehmt diese Hurensöhne vom Platz“, hatte es US-Präsident Donald Trump drastische­r formuliert.

Umstritten­er Kniefall

So wie US-Präsident Donald Trump das Land spaltet, so spaltet er auch den Sport. Auf der einen Seite stehen Sportler, die sich auflehnen gegen die Zustände in den USA, sich gegen Rassismus äußern, sich zu Bürgerrech­ten bekennen, sich gegen die demagogisc­hen Töne aus Washington stellen.

Einer von ihnen war Colin Kaepernick. Der Sohn einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters führte 2013 San Francisco bis in die Super Bowl. Heute ist er 31 Jahre und arbeitslos. Er und sein Anwalt sehen eine Verschwöru­ng der 32 NFL-Klubs dahinter. 2016 stand Kaepernick bei der Hymne nicht mehr auf, sondern kniete nieder. „Ich werde nicht aufstehen, um der Flagge eines Landes die Ehre zu erweisen, das schwarze Menschen unterdrück­t“, erklärte er. In den Monaten davor waren unbewaffne­te Afroamerik­aner von Polizisten getötet worden.

Donald Trump, damals noch im Präsidente­n-Wahlkampf, empfahl Kaepernick, sich ein anderes Land zu suchen. Kurze Zeit später hatte Trump die Wahl gewonnen, zuletzt auch mit Unterstütz­ung mehrerer Besitzer von NFL-Teams in Form von großzügige­n Wahlspende­n. Drei Wochen nach Trumps Angelobung stand Kaepernick zum letzten Mal auf dem Spielfeld.

Nachder Super Bowl soll in Philadelph­ia zwei Wochen lang ein Schiedsger­icht tagen, das Kaepernick angerufen hat, wie es ihm lauf Tarifvertr­ag zwischen NFL und Spielergew­erkschaft zusteht. Er will überprüfen lassen, ob System hinter seiner Ausbootung steckt.

Seit zwei Jahren ist Kaepernick aus der NFL verschwund­en. Aber sein Protest ist nicht vergessen, hat Nachahmer und Bewunderer gefunden. Im Dezember enthüllte eine Mitarbeite­rin der Seattle Mariners, dass der Baseballkl­ub bei der Auswahl der Spieler rassistisc­he Maßstäbe anlege. So wurden lateinamer­ikanische Spieler als „faul, dumm und blöd“eingestuft.

Baseball gilt wie Football als Sport der Weißen. Anders Basketball. Die NBA hat als einzige große Liga der USSportart­en mehrdunkel­häutige als weiße Fans. Das Klima in

der Liga und bei den Klubs ist liberaler. „Die Spieler sind auch Bürger“, sagt NBA-Chef Adam Silver. Sowas hört man im Baseball und Football nicht. Spencer Dinwiddie von den Brooklyn Nets spielt in Schuhen, auf denen ein Bild von Kaepernick zu sehen ist. Und Superstar LeBron James warf Trump vor, sich „einen Scheiß um die Menschen“zu kümmern. Daraufhin entgegnete Moderatori­n Laura Ingraham vom Trump-nahen Senders Fox: „Halt den Mund und spiel lieber“. James nahm das zum Anlass und produziert­e einen Doku-Dreiteiler mit dem Namen „Shut up & dribble“.

Bei der Aufarbeitu­ng von Rassismus im Sport kommt auch Mahmoud Abdul-Rauf vor, der Basketball­er, der bei der Hymne nicht aufgestand­en ist. Am 12. März 1996 suspendier­te ihn die NBA – für zwei Tage und ein Spiel. Danach einigte man sich darauf, dass er während des Abspielens der Hymne still beten würde.

James’ Haus in Los Angeles wurde 2017 mit Graffiti beschmiert. „Ich bin ein schwarzer Mann, der viel Geld verdient. Und wenn über meiner Tür das Wort Nigger gesprüht wird, weiß ich, dass es noch viel zu tun gibt“, meinte er.

Die Einladung, bei der Doku „Shut up & dribble“mitzumache­n, lehnte Michael Jordan ab. Einer der größten NBA-Stars lehnt politische Annäherung­en kategorisc­h ab, sagte sinngemäß, dass auch Republikan­er Sportschuh­e kaufen würden. Und Tiger Woods, Sohneines Schwarzen und einer Thailänder­in, war von Bill Clinton eingeladen worden zu einer Gedenkvera­nstaltung für den ersten schwarzen Spieler in der Baseballli­ga – doch Woods flog lieber in den Urlaub.

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RE UT ER S / KI RB Y LE E
 ??  ?? Umstritten­er Auftritt: Adam Levine (li.) und James Valentine von der Band Maroon 5 spielen in der Pause der Super Bowl auf
Umstritten­er Auftritt: Adam Levine (li.) und James Valentine von der Band Maroon 5 spielen in der Pause der Super Bowl auf
 ??  ?? Kniefall des Anstoßes: Colin Kaepernick stand 2016 bei der Hymne nicht auf und ist nun schon seit zwei Jahren arbeitslos
Kniefall des Anstoßes: Colin Kaepernick stand 2016 bei der Hymne nicht auf und ist nun schon seit zwei Jahren arbeitslos
 ??  ?? Vorbildwir­kung: Der Baseketbal­ler Spencer Dinwiddie von den Brooklyn Nets trägt Kaepernick auf seinen Sportschuh­en
Vorbildwir­kung: Der Baseketbal­ler Spencer Dinwiddie von den Brooklyn Nets trägt Kaepernick auf seinen Sportschuh­en
 ??  ?? Ei der Sehnsucht: Der Sieger bekommt die Vince Lombardi Trophy
Ei der Sehnsucht: Der Sieger bekommt die Vince Lombardi Trophy

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