Kurier (Samstag)

Der „bayrische Nestroy“und sein immer noch mitreißend­er Witz

Geschichte­n mit Geschichte Auf der Bühne brachte er sein Publikum wie kaum ein anderer zum Lachen. Privat war er ein eher ernster Mensch.

- VON GEORG MARKUS

Seine Sprüche und seine geradezu akrobatisc­hen Darbietung­en sind legendär, aber dass er sich jetzt, wie man hört, im Grab umdreht, weil Andreas Gabalier einen nach ihm benannten Orden bekommt, wird selbst die immer noch große Anhängersc­har des liberalen Komödiante­n Karl Valentin erstaunen.

Dabei machte der Witz des „bayrischen Nestroy“, wie Zeitgenoss­en ihn nannten, vor nichts und niemandem halt, nicht einmal vor seiner eigenen Geburt.

Er ist am 4. Juni 1882 in München als Valentin Ludwig Fey zur Welt gekommen und absolviert­e eine Tischlerle­hre. Jahre später erinnerte er sich im Theater an seine ersten Stunden:

„Was hatten gleich nach der Geburt einen Eindruck von Welt?“

REPORTER:

„Als ich die Hebamme sah, die mich empfing, war ich sprachlos. Ich hatte diese Frau in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“

VALENTIN:

Sie für der Nicht minder absurd auch die Schilderun­g seines weiteren Lebenswege­s: „Ich habe das Singen gelernt auf einer Nähmaschin­e, einer SingerNähm­aschine. Bis ich 19 war, hatte ich einen herrlichen Tenor, mit 20 hab ich dann einen Bass bekommen – einen Reisepass.“ Skurril konnte er nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Leben sein. Als er 1911 die Schauspiel­erin Liesl Karlstadt kennen lernte, wollte er sie unbedingt als Bühnenpart­nerin haben. Doch sie schloss sich einer Theatertru­ppe an. Karl Valentin überzeugte sie davon, dass sich hinter dem Ensemble ein Ring von Mädchenhän­dlern versteckte. Worauf sie seine Partnerin wurde – und bis an sein Lebensende blieb. Eine typische Szene der beiden: Liesl Karstadt steigt auf eine Leiter, die Karl Valentin auf einer Sprosse festhält. Er schreit laut auf: „Auweh, du stehst auf mein’ Dings, auf mein… wie heißt des Wort, es fallt ma net ein?“Es vergehen Minuten, in denen er sich vor Schmerzen krümmt. Endlich fällt ihm das Wort ein: „… auf mein’ Daumen.“Jetzt erst befreit ihn Liesl Karlstadt von dem Schmerz. Vorgestern war ich mit meiner Großmutter

VALENTIN: „

in Lohengrin. Gestern in der Nacht hat sie die ganze Oper noch einmal geträumt. Wenn ich das g’wusst hätt, hätten wir gar nicht erst hingehen brauchen.“ Privat war er eher ernst und nachdenkli­ch. „Wollen Sie no amol auf die Welt kommen?“, fragte Valentin, um sich selbst die Antwort zu geben: „I net!“ Karl Valentin beschäftig­te sich sein Leben lang mit dem Jenseits. 1948, kurz vor seinem Tod, sagte er zu Liesl Karlstadt: „Wenn ich g’wusst hätt, dass das Sterben so einfach is, hätt i net mei ganzes Leben Angst davor g’habt.“

georg.markus@kurier.at

 ??  ?? „Wollen Sie no amal auf die Welt kommen? I net“: Der schräge Witz des Komikers Karl Valentin (1882–1948)
„Wollen Sie no amal auf die Welt kommen? I net“: Der schräge Witz des Komikers Karl Valentin (1882–1948)
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