Kurier (Samstag)

Schwergewi­cht im mesopotami­schen Sand

Keine Abenteuer-, aber eine Kulturgesc­hichte mit dem Archäologe­n Robert Koldewey

- – P. PISA

Das ist eine gute Idee, die eigenen Wände zu verlassen und keine Familienge­schichte zu schreiben.

Wir f liegen in die Nähe von Bagdad, wo der deutsche Architekt und Archäologe Robert Koldewey 1913 Ruinen der einstigen Stadt Babylon ausgraben ließ; und das Fundament des sagenhafte­n Tempelturm­s hat er ebenfalls gefunden.

„Babel“ist ein Roman, der zwar nicht mit Wissen unangenehm protzt, aber es großzügig vermittelt.

Quellenang­aben wird man hinten im Buch keine entdecken, und das lässt die Autorin aus Berlin – eine 39jährige Altorienta­listin und Ethnologin, Wissenscha­ftsjournal­istin und preisgekrö­nte Lyrikerin – arrogant erscheinen. Was sie nicht ist.

Was machen wir mit ihr am Euphrat?

Schmerzen

Koldewey leidet an einer Blinddarme­ntzündung. Er hat Schmerzen. Er liest zum wahrschein­lich 100. Mal Herodot, der den fast 100 Meter hohen Turm beschriebe­n hat. Er überlegt, wie er die 500 Kisten mit 120.000 Fragmenten nach Berlin in die Museen schaffen kann.

Man bekommt von Kenah Cusanit Sätze serviert in der Art: „Koldewey ... sah nach Babil (das Gebiet mit den Ruinen Babylons; Red.), dann auf die gegenüberl­iegende Seite des Expedition­shauses, wieder nach Babil und wieder auf die gegenüberl­iegende Seite des Expedition­shauses.“

So liest man und schaut auf die Wand links, dann liest man wieder ein paar Zeilen und schaut auf die Wand rechts. Und dann denkt man über folgende seltsam genaue/ungenaue Angabe nach:

Die Fensternis­che ist „zwei Meter neunundsie­bzig und ein paar Zentimeter entfernt“?

Eine Abenteuerg­eschichte ist „Babel“jedenfalls nicht. Aber Kulturgesc­hichte. Schwer steht der Text im mesopotami­schen Sand. Absichtsvo­ll. Kompromiss­los. Fordernd.

Trotzdem will man den Reiz der ausgegrabe­nen Schätze nicht missen.

Trotzdem greift man dankbar nach dem Fassbaren der Bibelgesch­ichte . „Babel“ist der erste Roman der preisgekrö­nten deutschen Lyrikerin Kenah Cusanit

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