Kurier (Samstag)

Wenn die Toten Walzer tanzen

Kritik. „Grand Finale“von Hofesh Shechter im Festspielh­aus St. Pölten

- VON SILVIA KARGL

Das als Choreograf­ie des Jahres 2018 ausgezeich­nete „Grand Finale“des aus Israel stammenden und in London lebenden Choreograf­en Hofesh Shechter gastierte im Festspielh­aus St. Pölten.

Eine gewaltige, nahezu erdrückend­e Bilderflut mit neun Tänzerinne­n und Tänzern, die an ihre physischen Grenzen gelangen. Ein Danse Macabre des 21. Jahrhunder­ts, der auch poetisch und still sein kann.

Grausam

Vor allem aber sieht sich Shechter als genauen Beobachter, und tatsächlic­h sind viele Szenen von medial verbreitet­en Fotos (Ausstattun­g: Tom Scutt) abgeleitet, die Grausamkei­ten zeigen.

Gefährlich nahe rückt Shechter an eine Gratwander­ung zur Ästhetisie­rung von Gewalt, und überlässt die Interpreta­tion als eine offene Herausford­erung dem Publikum. Dabei spielen die live gespielte Musik sowie Einspielun­gen eine Rolle.

Unbarmherz­ig

Die Evolution des Krieges wird unbarmherz­ig vor Augen geführt, in einer drastische­n Bewegungss­prache, die von der Keimzelle Ballett – auch dieses hat militärisc­he Bezüge – über Folk, Yoga, Akrobatik bis zum Rave führt. Wenn zu „Lippen schweigen, ’s f lüstern Geigen“von Lehár an den Zweiten Weltkrieg gedacht wird, getötete Opfer zu Tanzpartne­rn im Walzer werden, gehen emotionsge­ladene Choreograf­ie und Musik unter die Haut. Shechter mutet Ensemble und Publikum einiges zu, will mit seinem politische­n Tanztheate­r aufrütteln. Das ist fabelhaft gemacht und umgesetzt.

 ??  ?? In „Grand Finale“zeigt Hofesh Shechter die Evolution des Krieges in beeindruck­enden, beklemmend­en und verstörend­en Bildern
In „Grand Finale“zeigt Hofesh Shechter die Evolution des Krieges in beeindruck­enden, beklemmend­en und verstörend­en Bildern

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