Wenn die Toten Walzer tanzen
Kritik. „Grand Finale“von Hofesh Shechter im Festspielhaus St. Pölten
Das als Choreografie des Jahres 2018 ausgezeichnete „Grand Finale“des aus Israel stammenden und in London lebenden Choreografen Hofesh Shechter gastierte im Festspielhaus St. Pölten.
Eine gewaltige, nahezu erdrückende Bilderflut mit neun Tänzerinnen und Tänzern, die an ihre physischen Grenzen gelangen. Ein Danse Macabre des 21. Jahrhunderts, der auch poetisch und still sein kann.
Grausam
Vor allem aber sieht sich Shechter als genauen Beobachter, und tatsächlich sind viele Szenen von medial verbreiteten Fotos (Ausstattung: Tom Scutt) abgeleitet, die Grausamkeiten zeigen.
Gefährlich nahe rückt Shechter an eine Gratwanderung zur Ästhetisierung von Gewalt, und überlässt die Interpretation als eine offene Herausforderung dem Publikum. Dabei spielen die live gespielte Musik sowie Einspielungen eine Rolle.
Unbarmherzig
Die Evolution des Krieges wird unbarmherzig vor Augen geführt, in einer drastischen Bewegungssprache, die von der Keimzelle Ballett – auch dieses hat militärische Bezüge – über Folk, Yoga, Akrobatik bis zum Rave führt. Wenn zu „Lippen schweigen, ’s f lüstern Geigen“von Lehár an den Zweiten Weltkrieg gedacht wird, getötete Opfer zu Tanzpartnern im Walzer werden, gehen emotionsgeladene Choreografie und Musik unter die Haut. Shechter mutet Ensemble und Publikum einiges zu, will mit seinem politischen Tanztheater aufrütteln. Das ist fabelhaft gemacht und umgesetzt.