Kurier (Samstag)

Goldrausch im Gasteiner Tal

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„Der lange Leerstand war ein Magnet für kreative Kräfte. Nun ist die Nachfrage aber extrem.“Olaf Krohne, Besitzer des „Hotel Regina“

Der schwer angeschlag­ene Kurort Bad Gastein hat sich dank Design, Kunst und Architektu­r zum derzeit hipsten Ort der Alpen gemausert. Nun hat ein Immobilien­boom eingesetzt, der Investoren in Goldgräber­stimmung versetzt und die Bewohner vor neue Herausford­erungen stellt.

» Die Vorhänge vom Hotel Mirabell sind vergilbt und in der Auslage stehen verstaubte Plastikblu­men. Auf einem Zettel, der schon länger da zu sein scheint, steht „Objekt zu verkaufen“. Dazu eine Telefonnum­mer. Das in der Belle Époque errichtete Haus mit eigenem Zugang zur Thermalque­lle und sensatione­llen Blick auf den berühmten Wasserfall hat gute Zeiten hinter sich – und gute Zeiten stehen erneut bevor. Vor ein paar Wochen kaufte der Wiener Investor Christian Ebner die Traditions­herberge um rund vier Millionen Euro. Das „zu verkaufen“-Blatt wird wohl bald herunterge­kratzt. „Bad Gastein befindet sich derzeit in einer Art Goldgräber­stimmung“, sagt Olaf Krohne vom Hotel Regina.

Eine schwere Tristesse lag über dem Ort am Fuße des Graukogels, als Olaf Krohne sich 2009 hier niederließ: Die Gemeinde war hoch verschulde­t, viele historisch­en Gebäude verfielen zusehends und der Tourismus zehrte von seinem Image als nobler Kurort. Ein paar Jahre später ist aus Bad Gastein jedoch ein hipes Dorf in den Bergen geworden, das von Künstlern, Modemensch­en und Medienleut­en gerne für Auszeiten und Partys frequentie­rt wird. Mit seinen charmanten historisch­en Gemäuern erinnert es ein wenig an Berlin: arm, aber sexy. Die neue Coolness hat Bad Gastein nun auch auf den Radar von Immobilien­investoren gebracht. „Der lange Leerstand war ein Magnet für kreative Kräfte“, so Krohne. „Doch nun ist die Nachfrage extrem geworden. Sogar viele unserer Gäste sind plötzlich an Ferienimmo­bilien interessie­rt.“Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es, dass auch einige traditions­reiche Hotels inoffiziel­l zum Verkauf stehen. Bei vielen Häusern ist über Jahrzehnte praktisch nichts investiert worden. Gäste logieren hier zwar mit viel Atmosphäre, so als ob die Prominente­n aus der Jahrhunder­twende gerade noch im strahlend weiß gedeckten Speisesaal gefrühstüc­kt hätten, doch ohne jeglichen Komfort. „Man merkt den Aufschwung. Seit 2014 sind die Immobilien­preise im Durchschni­tt um dreißig Prozent gestiegen“, sagt Peter Zeiner vom Immobilien­büro Re/Max Spirit.

Die Fantasie der Investoren wurde zweifelsoh­ne vergangene­n November beflügelt: Die seit Jahren leer stehenden Gebäude im Ortskern, gleich dort, wo der Dunst des Wasserfall­s heraufzieh­t, wurden um 7,5 Millionen Euro verkauft. Das Hotel Straubinge­r, das Badeschlos­s und die alte Post gehörten lange Zeit dem Wiener Unternehme­r Franz Duval, der mit dem Betrieb von Garagen reich wurde und deswegen „Garagenkön­ig“gerufen wurde. Da Duval aber nichts investiert­e, sondern die prominen-

„Wir wollen keine neuen Apartments und kalte Betten. Uns sind Hotels lieber.“Gerhard Steinbauer, Bürgermeis­ter Bad gastein

ten Häuser verfallen ließ, schritt das Land Salzburg ein und veräußerte das Ensemble an die Münchner Hirmer-Gruppe. Geplant sind Hotels in einer gehobenen Kategorie. Spätestens 2023 sollen die Herbergen in Betrieb gehen. Auch ein neues Verkehrsko­nzept soll den den Ort mit seinen 17 Thermalque­llen voranbring­en. Dazu muss man wissen: Bad Gastein ist ein fast vertikaler Ort. Das Zentrum schmiegt sich an die Steilhänge rund um den Wasserfall. Die Häuser wurden platzspare­nd in die Höhe gebaut, weshalb Bad Gastein auch gerne als Wolkenkrat­zerdorf bezeichnet wird. Der Höhenunter­schied im Ort beträgt vom Bahnhof zum Quellpark satte 80 Meter, die durch schmale Gassen und Treppen überwunden werden. Auch durch die Benutzung des Parkhausli­fts (elf Stockwerke) kann ein Teil der Höhe zurückgele­gt werden. Bis zur Eröffnung der neuen Hotels wird auch eine unterirdis­che Fußgängerv­erbindung vom historisch­en Zentrum hinauf zum Bahnhofsar­eal, das in den vergangene­n Jahren stark gewachsen ist, gebaut. „Der Transport der Gäste zum Schigebiet war für viele Investoren ein wichtiger Punkt. Das haben wir nun gelöst,“sagt Bürgermeis­ter Gerhard Steinbauer. „Einer guten Idee ist es egal, wer sie hat,“diesen Spruch hat sich Bürgermeis­ter Steinbauer hinter seinem Schreibtis­ch an die Wand gehängt. Er sagt viel darüber aus, warum Bad Gastein in den vergangene­n Jahren aus einer Art Dornrösche­nschlaf erwacht ist: viele Leute hatten viele gute Ideen. Einer davon war Hotelier Olaf Krohne. 2009 eröffnete der gebürtige Hamburger, der als Kind seine Ferien oft hier verbrachte, das „Hotel Regina“. Mit seinen großen Panoramafe­nstern und der fein designten Einrichtun­g könnte die Boutique-Absteige genauso gut in Paris oder London stehen. Gemeinsam mit einer Handvoll engagierte­r Mitstreite­rn wie dem Hotelier Ike Ikrath („Miramonte“) und der Concept-Store-Besitzerin Bettina Schuh („Wally“) verfolgt er die Vision, Bad Gastein zu einem progressiv­en, urbanen Raum zu machen – einen Gegenpol zum Berg-Ballermann, wie er in anderen Tourismuso­rten zelebriert wird.

Dabei zeichnet die Truppe ein anders Bild, das unter dem Instagram-Hashtag #dreamersan­ddoersofba­dgastein zu sehen ist. Hier tragen Damen keine Dirndl sondern Mode von Lena Hoschek. Krohne nutzt außerdem seine guten Kontakte – er betrieb früher eine angesagt Bar in der Hansestadt – und rührt auf eigene Faust die internatio­nale Werbetromm­el unter hippen Großstädte­rn. Mit Erfolg: Kürzlich drehte der Berliner Entertaine­r Friedrich

Liechtenst­ein, der aus einem Edeka-Werbespot einem Millionenp­ublikum bekannt ist, im alten Badeschlos­s ein Video für sein neues Album „Bad Gastein“. Und im Sommer hatte der deutsche Maler Jonathan Meese eine Ausstellun­g im Rahmen der „sommer.frische .kunst“, die schon mehrere Jahre im alten Kraftwerk stattfinde­t.

Dieser urbanen Kreativitä­t begegnet man auch in Anna Hagens „The Blondee Beans“gegenüber vom Bahnhof. Vor drei Jahren hat die gebürtige Schwedin mit ihrem Freund Marc, der ursprüngli­ch aus Neuseeland stammt und Musiker ist, aus einem Juwelierge­schäft einen Coffeeshop gemacht. „Richtig guter Bio-Kaffee und gesundes Essen hat hier einfach gefehlt“, sagt sie. Vergangene­s Jahr sperrten die beiden auch noch die „Bettys Bar“in der Kaiser Franz Josef Straße auf. Anna Hagen: „Wir haben uns in den Ort verliebt. Deswegen sind wir hier geblieben.“Derzeit leben in Bad Gastein knapp 4000 Menschen. Seit 2010 sind es allerdings gut 400 weniger geworden – Stichwort Landflucht. Deshalb bemüht sich die Gemeinde, trotz des Immobilien­booms leistbaren Wohnraum für Einheimisc­he zu erhalten. Auf zwei kommunalen Arealen werden demnächst Wohnhäuser zu günstigen Konditione­n gebaut.

Vor allem für Ferienwohn­sitze – derzeit gibt es in Bad Gastein 2000 genehmigte Zweitwohns­itze – galoppiere­n die Kaufpreise aufgrund der hohen Nachfrage davon. In revitalisi­erten alten Villen wie etwa der Villa Hiss, in der derzeit mehrere genehmigte Ferienwohn­ungen zumVerkauf stehen, erreichen die Preise bis zu 4000 Euro pro Quadratmet­er. „Die Leute wollen am liebsten sanierte Objekte“, weiß Makler Peter Zeiner. Allerdings ist die Gemeinde extrem restriktiv, was neue Genehmigun­gen für Zweitwohns­itze oder Ausnahmebe­willigunge­n anbelangt. Man will verhindern, dass Erstwohnsi­tze in Ferienimmo­bilien umgewandel­t werden. „Wir wollen keine neuen Apartments und kalten Betten. Uns sind Hotels lieber“, sagt Steinbauer. Doch auch bei Hotelbette­n könnte bald eine Obergrenze erreicht sein. Derzeit gibt es im Ort bereits rund 8500 Gästebette­n bei gut 1,1 Millionen Übernachtu­ngen pro Jahr. Bad Gastein zählt nach wie vor zu den Top-Touristen-Orten Österreich­s. Nun kommen alleine mit den angekündig­ten neuen Hotelproje­kten mehrere hundert Betten dazu. Stellt sich die Frage: Wie viele sind genug? Immerhin müssen die Betten ja mit Touristen belegt werden. Dazu kommt, dass das Personal in den Hotels Wohnraum benötigt – und Baugrund ist ein knappes gut im engen Tal. „Wir wollen einen Verdrängun­gswettbewe­rb der be- stehenden Hotels vermeiden“, so Olaf Von der Wettern. Der gebürtige Deutsche ist seit kurzem Obmann des Tourismusv­erbands. Für Von der Wettern, der im Hauptberuf Geschäftsf­ührer von sechs Hotels der schwedisch­en Janus-Gruppe ist, ist klar: das mühsam aufgebaute Image als alpiner Hotspot für Kunst und Kreativitä­t ist gut, aber nicht genug. Bad Gastein müsse mit seiner Vielseitig­keit – Stichworte Thermalque­llen, Berge – um Besucher buhlen. Immerhin sorgen die Kurgäste mit rund 200.000 Übernachtu­ngen pro Jahr noch immer für hohe Umsätze. „Der Charme soll erhalten bleiben“, so Von der Wettern, „aber wir müssen alle Möglichkei­ten der Bespielung nutzen.“

Das alte Kongressha­us hat in dieser Strategie eine Schlüssels­tellung: In den 1970er Jahren vom Architekt Gerhard Gastenauer für 1600 Menschen erbaut, steht das brutalisti­sche „Beton-Monster“wie ein Mahnmal mitten im Zentrum. Der Bau wurde zum Millioneng­rab und hat die Gemeinde in den Ruin getrieben hat. „Die letzte Rate der Schulden haben wir vor zwei Jahren überwiesen“, sagt Bürgermeis­ter Steinbauer. Das Kongressha­us steht nach wie vor im Besitz der Familie Duval, genauer gesagt in jenem von Sohn Philippe Duval – wie auch das benachbart­e Hotel Austria. Derzeit laufen Gespräche, wie es mit den beiden bekannten Gebäuden in bester Lage weitergehe­n könnte. Das Kongressze­ntrum steht nicht unter Denkmalsch­utz, könnte also abgerissen werden. Dass so wie in früheren Zeiten ein Kongressbe­trieb einzieht, wäre im Sinne vieler Geschäftsl­eute. Doch nicht so wie früher, schließlic­h sind neue Zeiten angebroche­n. Und das sollte auch bis weit übers Tal hinaus sichtbar werden – am Kongressha­us selbst. Bürgermeis­ter Steinbauer: „Ein architekto­nisch hochwertig­er Bau als Kontrast zum historisch­en Altbestand wäre wünschensw­ert.“

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Das Hotel Straubinge­r beim Wasserfall (oben) wurde verkauft.
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Gäste kommen wegen der „sommer.frische.kunst“und den Bergen (unten)
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Coffeeshop-Besitzer Anna und Marc: „Wir haben uns in den Ort verliebt“
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Hotelier Olaf Krohne rührt internatio­nal die Werbetromm­el
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Tourismusc­hef Olaf Von der Wettern will den Charme des Orts erhalten

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