Digital einrichten
Wohnung suchen, besichtigen, ausmessen, einrichten und individualisieren. Diese Funktionen erfüllen die Apps von heute. Was sie können und wann doch lieber zu Stift und Papier gegriffen werden sollte.
Gesucht: Ein 60 Quadratmeter großes Loft mit Terrasse außerhalb des Gürtels. Oder lieber etwas kleiner: 35 Quadratmeter, gut aufgeteilt auf zwei Zimmer, kein Balkon, dafür zentral? Wohnungssuchende haben eine schier unendliche Auswahl. Bei der Wohnungssuche heißt es zunächst: Die eigenen Wünsche und Möglichkeiten abstecken. Den Rest erledigt entweder der Makler oder die Filterfunktion. Der Suchdienst (zum Beispiel www.immo.kurier.at)
spuckt die passenden Objekte inklusive Bildern, Grundriss und Betriebskosten aus. Ob das Gefühl im Wohnraum passt, müssen die Suchenden allerdings selbst überprüfen. Vor Ort warten Vermieter oder Makler und geben Informationen zur Immobilie. Ob die Maßangaben im Grundriss stimmen, der Lärmpegel niedrig und der Lichteinfall hoch ist, kann mit innovativen Apps rasch überprüft wer- den – ohne großen Aufwand, schweren Werkzeugkasten oder Zeitverlust.
Maßangaben überprüfen kann man beispielsweise mit Apps wie „CamMeasure“mit einer Abweichung von bis zu drei Prozent oder „AR Measure Kit“, das neben einem virtuellen Maßband auch Winkel und Körpergrößen misst. Rollmeter plus Schallmesser und 31 weitere Funktionen sind in „Smart Tools“, einem digitalen Werkzeugkasten, programmiert. So wissen Interessenten sehr schnell, ob die bereits vorhandene Küche in der dafür vorgesehenen Nische oder das etwas größer ausgefallene Wasserbett im Schlafzimmer inklusive Nachtkästchen und Kleiderschränken auch in Zukunft Platz haben. Das Einzige, das dann noch fehlt, um die Qualität der Wohnung zu überprüfen, ist eine App, die den Lichteinfall misst. Doch auch das kann digital überprüft werden. Sonnenstand-Apps, wie „SOLight“oder „Sun & Moon“stehen Wohnungssuchenden und Architekten zur Verfügung. Mit der aktuellen GPS Position wird der Sonnenverlauf angezeigt – die App berechnet damit den Stand der Sonne für das gesamte Jahr. „Auch für die Wohnungsübergabe oder Rücknahme verwenden wir Apps, um eventuelle Schäden zu erheben und Sanierungen zu beauftragen“, erklärt Sandra Bauernfeind vom Immobilienentwickler EHL. Ist die Entscheidung für eine Wohnung gefallen, geht es ans Einrich- ten – dafür muss die Vorstellungskraft nicht mehr aktiviert werden. Für Apps wie „Houzz“oder „Roomle“reicht ein einziges Bild, das mittels Smartphone oder Tablet aufgenommen wird. „Unsere User scannen den Raum oder zeichnen den Grundriss selbst. Danach können sie aus 4000 Möbelstücken wählen und im eigenen Wohnzimmer platzieren“, erklärt Albert Ortig, Entwickler von Roomle, das nach dem Motto „try before you buy“(deutsch: Probier’ bevor du kaufst) funktioniert. Für das Design und die einfache Handhabung der App wurde das Unternehmen mit Sitz in Linz 2018 mit dem „Red Dot Award“ausgezeichnet. „Wir zählen jeden Monat 100.000 zusätzliche Nutzer mit acht Millionen Plänen und vier Millionen Downloads“, so Ortig.
Innenarchitekten wie Heinz Glatzl von „M&G“sehen diese Entwicklung aber kritisch: „Wir sind sehr offen für neue Technologien. Für uns steht aber die Individualität im Mittelpunkt, daher arbeiten wir – soweit es geht – analog“, erklärt er. Aus Sicht des Innenarchitekten ist ein funktionales Grundrisskonzept das Wichtigste. „Die Bewohner sollen sich wohlfühlen und deshalb muss der Raum individuell funktionieren. Das kann nur ein Architekt für den Kunden lösen“, so Glatzl. Im Deko- und Einrichtungsbereich sieht er aber– trotz Kritik– Potenzial für Apps. Das sieht auch Innenarchitekt Thomas Neuber vom Wiener Büro „Destillat“ähnlich: „Kleinere Projekte sind für Kunden sicher spannend, um sich Inspirationen zu holen.“Je kom- plexer die Raumstruktur allerdings ist, desto schwieriger werde die Umsetzung. Um Innenarchitekten und Kunden besser zu vernetzen, gibt es bei „Houzz“neben den Einrichtungstools einen Bereich, der die beide zusammenführt. Die Raumplaner von Destillat sind ebenfalls dort gelistet. „Es ist Teil unserer Strategie, so präsent wie möglich zu sein, daher sind wir auf mehreren Online-Plattformen vertreten“, erklärt Thomas Neuber. Die Anmeldung ist grundsätzlich kostenlos, nur Premiumkunden bezahlen eine Gebühr. „Wir haben ein Jahr lang bezahlt, allerdings hat uns das keine Anfragen aus Österreich gebracht, sondern nur aus Nord- und Mitteldeutschland“, erzählt Neuber. Das sei für Destillat aber uninteressant, da die Kos- ten-Nutzen-Rechnung nicht aufgehe. „Diese Apps machen sicher Sinn, allerdings gibt es derzeit keine für Österreich funktionierende Website, die Innenarchitekten und Kunden vernetzt“, erklärt Neuber.
Eine Marktlücke? Solche zu erkennen und rasch zu füllen, weiß Milan Zahradnik. Der 37-Jährige ist Gründer und CEO von„Propster“, bisher besser bekannt unter „Sonderwunsch Meister“. „Unsere Plattform bietet eine Lösung für die Abwicklung von Sonderwünschen zwischen Wohnungskäufer und Immobilienentwickler“, erklärt Zahradnik. Als Sonderwunsch gelte alles, was nicht als Standardausführung in einer Wohn- oder Büroeinheit enthalten ist. Das betreffe Raumpla- nung, Sanitäreinrichtungen, Bodenbeläge, Elektroinstallationen, Bad, Küche und vieles mehr. Das Unternehmen mit Sitz in Wien wurde 2018 zum besten Newcomer-Start-up Österreichs gekürt und zählt seit seiner Gründung 2017 bereits 30 Kunden. Einer davon ist IC Development. Geschäftsführer Walter Hammertinger: „Wir befinden uns derzeit in der Testphase und werden ,Propster‘ ab Ende März mit Verkaufsstart einer unserer Projekte erstmals nutzen.“Ziel des Unternehmens ist die Kommunikation und Abwicklung von Sonderwünschen für den Käufern zu vereinfachen und die Dokumentation anzupassen. Hammertinger: „Es ist wichtig, das Schaffen, Kaufen und Individualisieren von Wohnraum in die Gegenwart zu holen“.