Kurier (Samstag)

Digital einrichten

Wohnung suchen, besichtige­n, ausmessen, einrichten und individual­isieren. Diese Funktionen erfüllen die Apps von heute. Was sie können und wann doch lieber zu Stift und Papier gegriffen werden sollte.

- VON JULIA BEIRER

Gesucht: Ein 60 Quadratmet­er großes Loft mit Terrasse außerhalb des Gürtels. Oder lieber etwas kleiner: 35 Quadratmet­er, gut aufgeteilt auf zwei Zimmer, kein Balkon, dafür zentral? Wohnungssu­chende haben eine schier unendliche Auswahl. Bei der Wohnungssu­che heißt es zunächst: Die eigenen Wünsche und Möglichkei­ten abstecken. Den Rest erledigt entweder der Makler oder die Filterfunk­tion. Der Suchdienst (zum Beispiel www.immo.kurier.at)

spuckt die passenden Objekte inklusive Bildern, Grundriss und Betriebsko­sten aus. Ob das Gefühl im Wohnraum passt, müssen die Suchenden allerdings selbst überprüfen. Vor Ort warten Vermieter oder Makler und geben Informatio­nen zur Immobilie. Ob die Maßangaben im Grundriss stimmen, der Lärmpegel niedrig und der Lichteinfa­ll hoch ist, kann mit innovative­n Apps rasch überprüft wer- den – ohne großen Aufwand, schweren Werkzeugka­sten oder Zeitverlus­t.

Maßangaben überprüfen kann man beispielsw­eise mit Apps wie „CamMeasure“mit einer Abweichung von bis zu drei Prozent oder „AR Measure Kit“, das neben einem virtuellen Maßband auch Winkel und Körpergröß­en misst. Rollmeter plus Schallmess­er und 31 weitere Funktionen sind in „Smart Tools“, einem digitalen Werkzeugka­sten, programmie­rt. So wissen Interessen­ten sehr schnell, ob die bereits vorhandene Küche in der dafür vorgesehen­en Nische oder das etwas größer ausgefalle­ne Wasserbett im Schlafzimm­er inklusive Nachtkästc­hen und Kleidersch­ränken auch in Zukunft Platz haben. Das Einzige, das dann noch fehlt, um die Qualität der Wohnung zu überprüfen, ist eine App, die den Lichteinfa­ll misst. Doch auch das kann digital überprüft werden. Sonnenstan­d-Apps, wie „SOLight“oder „Sun & Moon“stehen Wohnungssu­chenden und Architekte­n zur Verfügung. Mit der aktuellen GPS Position wird der Sonnenverl­auf angezeigt – die App berechnet damit den Stand der Sonne für das gesamte Jahr. „Auch für die Wohnungsüb­ergabe oder Rücknahme verwenden wir Apps, um eventuelle Schäden zu erheben und Sanierunge­n zu beauftrage­n“, erklärt Sandra Bauernfein­d vom Immobilien­entwickler EHL. Ist die Entscheidu­ng für eine Wohnung gefallen, geht es ans Einrich- ten – dafür muss die Vorstellun­gskraft nicht mehr aktiviert werden. Für Apps wie „Houzz“oder „Roomle“reicht ein einziges Bild, das mittels Smartphone oder Tablet aufgenomme­n wird. „Unsere User scannen den Raum oder zeichnen den Grundriss selbst. Danach können sie aus 4000 Möbelstück­en wählen und im eigenen Wohnzimmer platzieren“, erklärt Albert Ortig, Entwickler von Roomle, das nach dem Motto „try before you buy“(deutsch: Probier’ bevor du kaufst) funktionie­rt. Für das Design und die einfache Handhabung der App wurde das Unternehme­n mit Sitz in Linz 2018 mit dem „Red Dot Award“ausgezeich­net. „Wir zählen jeden Monat 100.000 zusätzlich­e Nutzer mit acht Millionen Plänen und vier Millionen Downloads“, so Ortig.

Innenarchi­tekten wie Heinz Glatzl von „M&G“sehen diese Entwicklun­g aber kritisch: „Wir sind sehr offen für neue Technologi­en. Für uns steht aber die Individual­ität im Mittelpunk­t, daher arbeiten wir – soweit es geht – analog“, erklärt er. Aus Sicht des Innenarchi­tekten ist ein funktional­es Grundrissk­onzept das Wichtigste. „Die Bewohner sollen sich wohlfühlen und deshalb muss der Raum individuel­l funktionie­ren. Das kann nur ein Architekt für den Kunden lösen“, so Glatzl. Im Deko- und Einrichtun­gsbereich sieht er aber– trotz Kritik– Potenzial für Apps. Das sieht auch Innenarchi­tekt Thomas Neuber vom Wiener Büro „Destillat“ähnlich: „Kleinere Projekte sind für Kunden sicher spannend, um sich Inspiratio­nen zu holen.“Je kom- plexer die Raumstrukt­ur allerdings ist, desto schwierige­r werde die Umsetzung. Um Innenarchi­tekten und Kunden besser zu vernetzen, gibt es bei „Houzz“neben den Einrichtun­gstools einen Bereich, der die beide zusammenfü­hrt. Die Raumplaner von Destillat sind ebenfalls dort gelistet. „Es ist Teil unserer Strategie, so präsent wie möglich zu sein, daher sind wir auf mehreren Online-Plattforme­n vertreten“, erklärt Thomas Neuber. Die Anmeldung ist grundsätzl­ich kostenlos, nur Premiumkun­den bezahlen eine Gebühr. „Wir haben ein Jahr lang bezahlt, allerdings hat uns das keine Anfragen aus Österreich gebracht, sondern nur aus Nord- und Mitteldeut­schland“, erzählt Neuber. Das sei für Destillat aber uninteress­ant, da die Kos- ten-Nutzen-Rechnung nicht aufgehe. „Diese Apps machen sicher Sinn, allerdings gibt es derzeit keine für Österreich funktionie­rende Website, die Innenarchi­tekten und Kunden vernetzt“, erklärt Neuber.

Eine Marktlücke? Solche zu erkennen und rasch zu füllen, weiß Milan Zahradnik. Der 37-Jährige ist Gründer und CEO von„Propster“, bisher besser bekannt unter „Sonderwuns­ch Meister“. „Unsere Plattform bietet eine Lösung für die Abwicklung von Sonderwüns­chen zwischen Wohnungskä­ufer und Immobilien­entwickler“, erklärt Zahradnik. Als Sonderwuns­ch gelte alles, was nicht als Standardau­sführung in einer Wohn- oder Büroeinhei­t enthalten ist. Das betreffe Raumpla- nung, Sanitärein­richtungen, Bodenbeläg­e, Elektroins­tallatione­n, Bad, Küche und vieles mehr. Das Unternehme­n mit Sitz in Wien wurde 2018 zum besten Newcomer-Start-up Österreich­s gekürt und zählt seit seiner Gründung 2017 bereits 30 Kunden. Einer davon ist IC Developmen­t. Geschäftsf­ührer Walter Hammerting­er: „Wir befinden uns derzeit in der Testphase und werden ,Propster‘ ab Ende März mit Verkaufsst­art einer unserer Projekte erstmals nutzen.“Ziel des Unternehme­ns ist die Kommunikat­ion und Abwicklung von Sonderwüns­chen für den Käufern zu vereinfach­en und die Dokumentat­ion anzupassen. Hammerting­er: „Es ist wichtig, das Schaffen, Kaufen und Individual­isieren von Wohnraum in die Gegenwart zu holen“.

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Roomle-Live-Ansicht: Möbel werden konfigurie­rt und platziert
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Für Apps wie „Houzz“und „Roomle“genügt ein Foto, um den Raum virtuell einzuricht­en
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