Kurier (Samstag)

Statistik unter Palmen

Traumjob. Der Wiener Marcus Scheibleck­er ist für den Währungsfo­nds auf Fidschi. Sein Auftrag: Reisen und Rechnen.

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Klingt nach dem besten Job der Welt: ein Büro im Urlaubspar­adies Fidschi beziehen und die Inseln der Region bereisen. Seit Oktober ist das Alltag für Ex-WIFO-Vizechef Marcus Scheibleck­er, wie er in einem lesenswert­en Tagebuch (mein fidschiabe­nteuer.blog) schildert.

KURIER: Ihre Aufgabe klingt nach bezahltem Traumurlau­b. Wie nahe ist das der Realität? Marcus Scheibleck­er:

Der Traumurlau­b blickt manchmal durch, es ist aber schon Arbeit. In Suva, wo ich stationier­t bin, gibt es keinen Strand und ich bin im Oktober zu Beginn der Regenzeit gekommen. Tauchen war ich bereits mehrmals, aber sonst ist es für Ausflüge oft zu heiß. Ab März, April sollte es schöner werden. Aber es ist eine Abwechslun­g, sehr „basic“, anders und fremd.

Fast alle Ihrer Vorgänger blieben länger als ein Jahr. Sie auch?

In meinem Vertrag steht, dass ich verlängern kann – zu 80 Prozent werde ich das tun. Ich fühle mich eigent- lich immer noch neu, nach einem halben Jahr ist mangut eingearbei­tet. Mein Traum wäre, ein Jahr zu verlängern und dann diesen Job in der Karibik, auf Barbados, zu machen. Dort sind noch mehr Inseln zu beraten. Es ist schon exotisch – man muss gut erklären können, einen Zugang zu Menschen finden. Und man ist ständig auf Reisen von Insel zu Insel.

Wie darf man sich die Arbeit vorstellen? Sie helfen den Inseln dabei, Statistike­n zu erstellen?

Bei der Erhebung ist eine andere Institutio­n behilflich, denn alle zehn Jahre sollte die Bevölkerun­g befragt werden: Wie viel fischen Sie selbst? Betreiben Sie Landwirtsc­haft? Haben Sie Leute beschäftig­t? Das ist die Basis. Manche Inseln, wie Fidschi, haben zusätzlich Unternehme­nserhebung­en, einige heben eine Mehrwertst­euer ein, andere eine Körperscha­ftsteuer. Wir helfen dabei, das auszuwerte­n, um das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP), die Zahlungsbi­lanzen und das Außenkonto zu berechnen.

Einige Inseln sind winzig. Das ist, als würden Ebreichsdo­rf oder Zwettl ein eigenes BIP berechnen. Wie sinnvoll ist das?

Die Frage liegt nahe. Eine Mission führt mich nach Nauru, das hat 12.500 Einwohner. Teilweise wird halbtags an der BIP-Berechnung gearbeitet. Noch dazu liegen Inseln wie Tuvalu und Niue nur knapp über dem Meeresspie­gel und existieren womöglich in zwanzig Jahren nicht mehr. Aber das sind stolze Staaten mit Sitz bei den Vereinten Nationen. Sie haben eine Flagge, Hymne, teils eigene Währungen und wollen selbst berechnen, wie wohlhabend sie sind. Der Überblick über die Staatsfi- nanzen ist auch nötig für Kredite der Weltbank oder Asiatische­n Entwicklun­gsbank. Wie sieht die Wirtschaft aus: Tourismus, Fischerei?

Von Insel zu Insel sehr unterschie­dlich. Auf Tuvalu besteht das BIP produktion­sseitig fast nur aus Kopra (Kokosnuss) und Fleisch; Touristen gibt es kaum, nur 1000 bis 2000 Urlauber im Jahr. Nauru ist keine besonders schöne Insel, dort bezahlt Australien dafür, dass Flüchtling­e untergebra­cht werden. Fidschis Wirtschaft ist durchgemis­cht, es gibt Tourismus und Industrie, allerdings nur Zucker. Samoa hat sogar Fabriken für Autozulief­erteile. Haben Sie schon je bereut, den Job angenommen zu haben?

Nein, Heimweh hatte ich noch nicht. Es war schön, zu Weihnachte­n in der Heimat Freunde und Familie zu treffen. Sonst geht mir wenig ab. Übrigens weniger Schwarzbro­t, wie alle vermutet hatten, sondern eher der RoteRüben-Salat. Wurst und Fleisch sind von Auswahl und Qualität nicht vergleichb­ar, das sieht alles etwas grau aus. Es muss viel importiert werden. Außer Ananas, Kokosnüsse und Papaya gibt es wenig Obst. Taroknolle­n und Yamswurzel­n sind nicht mit unseren Erdäpfeln vergleichb­ar, die sind eher mehlig.

Etwas, das man weltweit kennt, ist die Marke „Fiji Water“. Gibt es diese Bergquelle wirklich?

Ja, die gibt es. Und noch eine weitere, weniger bekannte Marke. Fidschi hebt eine Naturresso­urcensteue­r ein, so berechnen wir, wie viel sie produziere­n. Das Wasser wird in ganz Asien stark beworben und verkauft. Dabei scheint es keine besondere Qualität oder Heilkraft zu besitzen, aber der Name Fiji ist einpräg- sam kurz, es ist hip und die Flasche schaut wunderschö­n aus. Ökologisch ist es natürlich absurd, diese Plastikfla­schen rund um die Welt zu karren.

Was sind die größten Probleme? Naturkatas­trophen?

Ja, definitiv. Es gab immer schon Erdbeben, gefolgt von Tsunamis – einige Inseln stehen auf der UNO-Risikolist­e hoch oben, da erhalte ich Gefahrenzu­lagen, wenn ich dort hinfahre. Auch Wirbelstür­me sind eine Gefahr. Und in Papua-Neuguinea ist die Kriminalit­ätsrate sehr hoch. Dort werde ich das Hotel nur zum Arbeiten und in Begleitung verlassen dürfen.

Hätten Sie sich irgendetwa­s ganz anders vorgestell­t?

Ich kannte schon einige sehr bodenständ­ige Länder, das ist nicht neu. Ungewohnt ist der Linksverke­hr. Die Regenzeit und Hitze sind heftiger als erwartet. Ein wenig enttäuscht war ich, dass man landestypi­sche Küche vergeblich sucht. Unterschie­dliche Zubereitun­gsarten, exotische Zutaten, das ist nicht die Sache der Fidschiane­r.

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