Kurier (Samstag)

Sicherheit­srisiko als neuer Haftgrund

Mordfall Dornbirn. Edtstadler unterstütz­t Kickl-Vorstoß für Sicherheit­sverwahrun­g, aber unter strengen Auflagen

- VON RAFFAELA LINDORFER

Ein Asylwerber, der sich gar nicht in Österreich hätte aufhalten dürfen, geht ins Sozialamt und tötet einen Beamten.

Die Frage, wie so etwas passieren konnte, ruft die Politik auf den Plan: Als Konsequenz aus dem Mordfall Dornbirn will Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) jetzt eine so genannte „Sicherungs­haft“einführen.

Asylwerber bzw. Fremde, gegen die ein Aufenthalt­sverbot vorliegt – wie im Fall des 34-jährigen Türken in Dornbirn – sollen in Haft genommen werden können, wenn sie eine „Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit und Ordnung“darstellen.

Derzeit gibt es in diesem Bereich ja nur Schubhaft, und auch nur dann, wenn das Asylverfah­ren negativ abgeschlos­sen ist, und eine Abschiebun­g bevorsteht.

Unterstütz­ung bekommt Kickl von seinem ÖVPGegenüb­er Karoline Edtstadler, Staatssekr­etärin für Inneres. Sie sagt: „Wir haben den Fall in Vorarlberg geprüft. Die Behörden hatten nach geltender österreich­ischer Verfassung­slage keine Möglichkei­t, den betreffend­en Asylwerber in Haft zu nehmen.“

Aus Kann wird Muss

Tatsächlic­h dürfte es in Österreich eine Gesetzeslü­cke geben bzw. dürften bisher nicht alle Möglichkei­ten ausgeschöp­ft worden sein.

Die EU-Aufnahmeri­chtlinie erlaubt es den Mitgliedst­aaten, Antragstel­ler in Haft zu nehmen, wenn sie als gefährlich gelten (siehe Kasten rechts), erklärt Europarech­tler Walter Obwexer.

Dabei handle es sich um eine „Kann-Bestimmung“, betont Obwexer. Was Kickl jetzt plant, ist ein „Muss“, also eine fixe gesetzlich­e Regelung. Dafür müsste die Bundesverf­assung geändert werden.

Als Grund, jemandem die Freiheit zu entziehen, müsste der von Kickl zitierte Faktor „öffentlich­e Sicherheit und Ordnung“einbezo- gen werden. Im Prinzip, so Obwexer, wäre ein Aufenthalt­s- bzw. Einreiseve­rbot dann ein neuer Haftgrund, der klarerweis­e nur für Fremde gilt.

Natürlich dürfe nicht „prophylakt­isch Haft verhängt werden“, mahnt Staatssekr­etärin Edtstadler zur Vorsicht. „Der Rechtsstaa­t gilt. Jeder Fall muss individuel­l und streng geprüft und beurteilt werden, ob eine Gefährdung vorliegt.“Aber der Staat müsse auch „handlungsf­ähig sein, wenn Gefahr in Verzug ist“.

„Ablenkungs­manöver“

Für eine Verfassung­sänderung ist ein Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t nötig. Türkis-Blau ist also auf Unterstütz­ung von SPÖ oder Neos angewiesen. Innenminis­ter Kickl macht den Opposition­sparteien Druck: „Wer die Änderung nicht mitträgt, zeigt klar, dass ihm der Schutz der Bevölkerun­g vor kriminelle­n Asylwerber­n kein wahrhaftig­es Anliegen ist.“

SPÖ und Neos verbuchen den Gesetzesvo­rschlag als „Ablenkungs­manöver“und zeigen dem Innenminis­ter (noch) die kalte Schulter. Neos-Klubchefin Beate MeinlReisi­nger sagt: „Der Innenminis­ter soll prüfen, ob seine Behörden nicht anders hätten handeln müssen oder zumindest können.“Solange nicht alle rechtliche­n Fragen geklärt seien, „pfuschen wir sicher nicht mit Schnellsch­üssen in der Verfassung herum“.

Im Bundesrat reicht laut Parlamenta­rismus-Experte Werner Zögernitz eine einfache Mehrheit, um die Änderung zu bestätigen. Die SPÖ könnte ihr absolutes Veto, mit dem sie am Donnerstag in einer historisch­en Abstimmung die Ökostrom-Novelle gekippt hat, also nicht wiederhole­n. „Das geht nur bei Verfassung­smaterien, die Länderinte­ressen beschränke­n“, erklärt Zögernitz.

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Staatssekr­etärin Edtstadler unterstütz­t Innenminis­ter Kickl bei Vorhaben, gefährlich­e Asylwerber in Haft zu nehmen – mahnt aber zur Vorsicht: Jeder Fall sei einzeln zu beurteilen

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