Schlagkraft an der Discotür
Türsteher. Ein Fall zeigt, dass Securitys Befugnisse überschreiten / Debatte um Ausbildung
Die Sonne war über St. Pölten schon aufgegangen, als Tobias S. (Name geändert, Anm.) die Schank in der Diskothek „LaBoom“erklomm. Der 35Jährige, der in dieser Juninacht viel getrunken hatte, wollte auf der Bar tanzen. Die feuchtfröhliche Einlage dauert nur kurz. DennSekunden später wurde er von einem Security-Mitarbeiter zu Boden gestoßen und unsanft ins Freie befördert.
In vielen Fällen wäre die Angelegenheit damit schon beendet gewesen, doch aus der scheinbar harmlosen Szene entwickelte sich ein brutales Nachspiel. S., der die verbale Auseinandersetzung suchte, kassierte mehrere Schläge ins Gesicht, anschließend rangen ihn die Türsteher zu Boden. Einer nahm den Niederösterreicher in den Schwitzkasten. „I stirb“, röchelte S. Erst nach mehreren Minuten ließen die Sicherheitsbeauftragten von dem verletzten 35-Jährigen wieder ab – und gingen.
„Das Sicherheitspersonal hat weder die Polizei noch die Rettung alarmiert. Dadurch hätte man die Situation aber rasch entschärfen können“, kritisiert die St. Pöltner An- wältin Andrea Schmidt. Weil der Vorfall von Überwachungskameras gut dokumentiert wurde, brachte die Aktion den zwei Türstehern eine nicht rechtskräftige Verurteilung wegen Körperverletzung ein. „Zu einem laufenden Verfahren geben wir keine Stellungnahme ab“, sagt der Anwalt des Lokalchefs.
Kritik
Big Alex, wie ihn alle nennen, war jahrelang im Türsteher-Geschäft tätig. Heute produziert er Energy-Getränke. Arbeitsplatz des 2,21 Meter großen Mannes war unter anderem der Club Volksgarten in Wien. Nur drei Mal habe er seinen Körper auch einsetzen müssen, sagt er. „Das Ego spielt oft eine große Rolle, jeder will sich beweisen. Sowohl die Securitys als auch die Gäste. Und dann kann es zu Gewalt kommen.“
Jene, die vom Gesetz her für Recht und Ordnung sorgen, kritisieren, dass immer wieder Sicherheitspersonal vor Diskotheken oder bei Veranstaltungen zum Einsatz komme, das schlecht oder gar nicht ausgebildet ist. Der Spardruck sei spürbar, berichten Polizisten. Das Problem sei aber auch, dass solche Disco-Mitarbeiter nach dem sogenannten Hausrecht des Lokalbetreibers handeln und nicht dem Bewachungsgewerbe zuzurechnen seien. „Daher gelten auch nicht die Rechtsvorschriften des Bewachungsgewerbes“, erklärt Thomas Kirchner, Chef des Fachverbands gewerblicher Dienstleister.
Die Disco-Betreiber hätten aber gute Menschenkenntnisse, umzusehen, wen sie als fähige Türsteher einsetzen können, „natürlich lassen sie sich auch ein Leumundszeugnis vorlegen“, heißt es beim Fachverband der Gastronomie. Aber auch für Bedienstete im Sicherheitsgewerbe sei keine bestimmte Aus- und Weiterbildung gesetzlich vorgeschrieben. Nur im Bereich der öffentlichen Sicherheit enthalten Sondergesetze (wie zum Beispiel Luftfahrtsicherheits-, Gerichtsorganisations- oder Bundesstraßen-Mautgesetz) spezielle Ausbildungs- sowie Tätigkeitsvorschriften für das angestellte Wachpersonal.
Ein positives Beispiel für das Zusammenspiel von Gästen und Türstehern ist die Lokalmeile Herrengasse in Wiener Neustadt. Neu ist ein Sicherheitskonzept, bei dem die Lokalmeile an beiden Eingängen abgesperrt und der Zutritt von einer Sicherheitsfirma überwacht wird.