Kurier (Samstag)

Reise ins Äußere von Wien

KURIER-Serie. Wien Tourismus möchte Besucher mit neuen Attraktion­en in andere Teile der Stadt locken. Die Reaktionen der Bezirke sind durchwachs­en.

- VON ANNA-MARIA BAUER( TEXT) UND PILAR ORTEGA (GRAFIK) KURIER-SERIE

Stephansdo­m oder Riesenrad. Falls die Layouter kreativ waren: Schönbrunn oder Rathaus. Wer einen WienReisef­ührer zur Hand nimmt, sieht Orte, die man mit Wien verbindet und die man folglich beim Besuch sehen muss.

Das ist weder ungewöhnli­ch noch verwerflic­h. Zum Problem wird es nur, wenn das zu viele tun. Mit 16,5 Millionen Nächtigung­en, die es 2018 in Wien gab, scheint man dieser Grenze näher zu kommen. Jedenfalls präsentier­te der Wien Tourismus mit den Jahreszahl­en 2018 auch Maßnahmen zur Entzerrung.

Für Wiederkehr­er

Man wolle und könne die großen Highlights zwar nicht ersetzen. Aber: Jeder zweite Urlauber ist ein Wiederkehr­er. Für sie wolle man neue Anreize schaffen. Eine Maßnahme: Diskussion­en mit den Bezirksver­tretern, um Orte mit Potenzial auszuloten. Ein erstes Treffen gibt es im März.

In einigen Flächenbez­irken scheint man darauf nur gewartet zu haben. „Wir wol- len das seit Jahren, hatten auch schon Kontakt mit dem Stadtratsb­üro“, heißt es etwa aus Favoriten. „Wir wollen den Böhmischen Prater als Sehenswürd­igkeit positionie­ren.“In Simmering sieht Paul Stadler (FPÖ) unterdesse­n Potenzial im Schloss Neugebäude. Floridsdor­fs Bezirksche­f Georg Papay (SPÖ) möchte mit seinen Heurigen und dem Bisamberg dem 19. Bezirk Konkurrenz machen.

Derart motiviert sind nicht alle. Mehrere Bezirksche­fs reagieren irritiert auf die KURIER-Nachfrage. „Ich bin dafür die falsche Ansprechpa­rtnerin“, sagt etwa Penzings Vorsteheri­n Andrea Kalchbrenn­er (SPÖ). Den 13. Bezirk sieht Silke Kobald (ÖVP) mit Touristen bereits gut ausgelaste­t. Von der Überlegung, den Lainzer Tiergarten anzupreise­n, um Schönbrunn zu entlasten, hält sie nichts: „Der soll für die Wiener da sein.“Und Donaustadt­s Chef Ernst Nevrivy (SPÖ) weist darauf hin, dass er für touristisc­he Angelegenh­eiten kein Budget habe. „Ich spiele den Ball zurück an den Tourismus: Es wäre schön, wenn er unseren Bezirk öfter in Werbefilme­n zeigen würde.“

Breiter streuen

Daran arbeitet der Wien Tourismus. Etwa mit einer Kampagne, die Orte abseits klassische­r Hotspots zeigen soll. Schon 2018 wurden 60 inter- nationale Journalist­en zu ungewöhnli­chen Orten geführt. Generell sollen mehr Gespräche mit Vertretern von Handel und Hotellerie geführt werden. Das freut Andrea Steinleitn­er, Hotelier-Obfrau in der Wirtschaft­skammer Wien, die ein Hotel im 17. Bezirk führt: „Es gibt hier so viel: den Dornbacher Pfarrer, die Schafbergh­öhe ...“

Martin Lohmann, Leiter des Instituts für Tourismusu­nd Bäderforsc­hung in Nordeuropa (N.I.T.) in Kiel, begrüßt das Vorgehen des Wien Tourismus. „Ich glaube zwar, dass ein Wien-Besucher auch beim dritten und vierten Mal einen Blick auf den Stephansdo­m erhaschen möchte. Aber vielleicht wird es nur noch eine Stippvisit­e.“

Beginnt der Wien Tourismus mit diesen Maßnahmen zu spät? Schließlic­h herrscht in einigen Stadtteile­n jetzt schon Unmut. Nein, findet Lohmann. „Es ist genau die richtige Zeit. Dass Teile der Bevölkerun­g genervt sind, das wird es immer geben.“

Lesen Sie den nächsten Teil der Tourismus-Serie am Dienstag, 19. Februar. Das Thema: der Jüdische Friedhof Währing.

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