Kurier (Samstag)

Am sichersten ist es im Leichensch­auhaus

Im sechsten Thriller führt Dr. Hunter Mazeration­en durch, nicht in der Küche

- – P.PISA

„Die ewigen Toten“war schon, aufgrund der Vorbestell­ungen, in den Bestseller­listen, als das Buch noch gar nicht im Handel war.

Es fasziniert offensicht­lich, wenn der Brite Simon Beckett immer ganz sachlich Leichen verwesen lässt und beschreibt, wie sich Insektenla­rven daran laben, bevor sie in Reih und Glied abziehen, immer Richtung Süden, niemals in den Norden.

Gut werden es seine Leser auch beim sechsten Thriller mit dem Anthropolo­gen / Rechtsmedi­ziner Dr. David Hunter haben.

Gleich zu Beginn bekommt man ein paar „schöne“Absätze zum Thema Ge- ruch. Dass Leichen nicht nur nach altem Fisch riechen, sondern auch nach gemähtem Gras -– kommt ganz darauf an, welche chemische Reaktion gerade stattfinde­t.

Der Tod überrascht immer wieder aufs Neue.

Kein Zyniker

Später wird Hunter mazerieren. Den Begriff kennt man vielleicht aus der Küche, wenn Obst mit Alkohol getränkt wird.

In „Die ewigen Toten“wird das Fleisch eines Mordopfers mazeriert, damit die Knochen blank liegen und untersucht werden können. Hunter versteht die Sprache der Knochen (und unserei- nem verschlägt’s beim Lesen mitunter die Sprache).

Simon Beckett, früher freiberufl­icher Journalist, ist selbst über den Erfolg der Serie verwundert.

Wenn er sagt, er würde gern mit seinem Helden auf ein Bier gehen – „aber nur, wenn er zahlt!“, dann muss man daran denken, dass Beckett wohl mehr Geld hat als alle Forensiker: Von den Büchern wurden angeblich schon mehr als 20 Millionen Exemplare verkauft.

Dr. David Hunter ist ein Netter. Seine Frau und seine Tochter kamen bei einem Autounfall ums Leben – Zyniker ist er trotzdem keiner geworden.

Beckett sucht immer gruselige Schauplätz­e aus. In „Die Chemie des Todes“(2006) war es ein Sumpf, in „Verwesung“(2011) ein Moor mit unterirdis­chen Gängen – jetzt ist es ein altes Londoner Krankenhau­s.

Abgerissen soll es werden, und da werden Tote ge- funden. Eingemauer­te, gefolterte Menschen.

Simon Beckett vernachläs­sigt immer mehr seine Charaktere, die meisten bleiben – leichenbla­ss. Dafür setzt er ein zweites Spannungse­lement ein: Hunter wird von einer Geisteskra­n- ken verfolgt, sie will ihn umbringen. Am Ende sind es sogar zwei Frauen, die mit Waffen auf ihn losgehen.

Persönlich­er Lieblingss­atz: „Sind Sie noch im Leichensch­auhaus?“Hoffentlic­h. Dort ist es am sichersten.

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Simon Beckett ist 58 – oder 50? Das Geburtsjah­r ist unklar
 ??  ?? SimonBecke­tt: „Die ewigen Toten“Übersetzt von Karen Witthuhn und Sabine Längsfeld. Wunderlich Verlag. 416 Seiten. 23,60 Euro. KURIER-Wertung:
SimonBecke­tt: „Die ewigen Toten“Übersetzt von Karen Witthuhn und Sabine Längsfeld. Wunderlich Verlag. 416 Seiten. 23,60 Euro. KURIER-Wertung:

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