Kurier (Samstag)

INTERVIEW

- VON THOMAS TRENKLER

Am Sonntag um 11 Uhr bringt Vera Borek, Witwe nach Helmut Qualtinger, zusammen mit Eduard Wildner im Theater Akzent Lieder, Gedichte und Essays von Erich Kästner zu Gehör – unter dem Titel „Noch immer die alten Affen“, zusammenge­stellt von Susanne Höhne. Die Schauspiel­erin mit der markanten Stimme empfing den KURIER in ihrer mit Büchern vollgestop­ften Dachgescho­ßwohnung am Rudolfspla­tz.

KURIER: Wollen Sie das Interview vor Drucklegun­g gegenlesen? Vera Borek:

Nein. Ich vertraue Ihnen. Und wenn Sie „die alte Mumie“schreiben sollten: Es stimmt ja auch. Was wollen Sie denn wissen? Ich kann aber kein Referat zu Erich Kästner halten. Ich weiß nur, dass er ein wunderbare­r Mensch war. Ich hege eine große Bewunderun­g für ihn. Er ist nicht raus aus NSDeutschl­and – und hatte große Querelen. Denn auch seine Bücher wurden verbrannt.

Sie wurden 1940 in Breslau geboren.

Meine Mutter ist aus Kattowitz, meine Großmutter hatte eine Pension. Mein Vater kam aus Wien, um einen Freund zu besuchen. Dort lernte er „die Tochter des Hauses“kennen. Dann haben sie geheiratet und sind nach Breslau. Am dortigen Opernhaus war meine Mutter Sängerin. Meine Eltern – das rechne ich ihnen hoch an – waren nie in der Partei. Das sagen vielleicht viele, aber Sie können es mir glauben! Das war schwer in so einem Betrieb wie einer Oper. Mein Vater war selbststän­diger Lederhändl­er, aber meine Mutter wurde immer getriezt und war immer unter Druck.

Anfang 1945 wurde Breslau von der Roten Armee eingekesse­lt, bis zum Ende der Schlacht am 6. Mai, zwei Tage vor der deutschen Kapitulati­on, fanden schwere Häuserkämp­fe statt, zwei Drittel aller Gebäude wurden zerstört. Haben Sie noch Erinnerung­en daran?

Ein bisschen. Ich hab’ natürlich mitgekrieg­t, wenn die Eltern geweint haben. Die Kinder und Frauen waren wegen der Kämpfe evakuiert. Mein Vater bekam einen Schuss ins Bein. Wir haben ihn gesucht und in einem Spital gefunden. In der Nachkriegs­zeit zogen die Polen zu. Und dann sind wir abgehauen. Nach Wien. Wann genau, weiß ich nicht mehr. Ist ja schon ein bissl her. Wir waren sehr arm. Hier hat meine Mutter kein Engagement mehr bekommen, sie war sehr verzweifel­t. Daher hab’ ich mir gedacht: Ich will immer brav an einem Theater sein.

Warum Schauspiel­erin?

Mit fünf wollte ich Sängerin werden. Aber dann kam ich drauf, dass ich keine Stimme dafür hab. Und die braucht man schon. Meinen Eltern war alles recht, Hauptsache es wurde irgendwas aus mir. Denn ich war keine gute Schülerin. Mit Schauspiel­erin waren sie gleich einverstan­den. Ich hab’ immer gern gelesen. Und wegen meiner Mutter als Kattowitze­rin hab’ ich ein reines Deutsch gesprochen. Später wurde ich oft veräppelt. Taxifahrer haben mich gefragt: „Kommen S’ auf Urlaub?“Denen hab’ ich eine Gosch’n ang’hängt! Dann wussten sie, dass ich keine Deutsche bin.

Ihr erstes Engagement hatten Bochum – bereits mit 17.

Sie wissen ja viel besser über mich Bescheid als ich! Meine Mutter musste den Vertrag unterzeich­nen, weil ich minderjähr­ig war.

Wie kam es überhaupt dazu? Sie in

Ich war in Hannover in der Schauspiel­schule. Bochum hat immer so ein Begabten-Jahr vergeben. Das hab’ ich gewonnen. Danach bin ich nach Münster. Von dort nach Wiesbaden. Und dann Hamburg.

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