Kurier (Samstag)

„Ich werde angefeinde­t“

Babypause. Neos-Chefin Meinl-Reisinger geht zwei Monate in Karenz. Manchen ist das zu kurz

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Bald ist Schluss. In wenigen Tagen verabschie­det sich Neos-Chefin Beate MeinlReisi­nger aus der Politik, sie wird zum dritten Mal Mutter. Wie gehen sie und ihre Familie die Sache an? Wie regelt sie die Karenz?

KURIER: Frau Meinl-Reisinger, Sie wollen sich maximal zwei Monate Auszeit nehmen. Warum eigentlich so kurz? Beate Meinl-Reisinger:

Das ist eine gute Frage und ehrlich gesagt stelle ich sie mir täglich – immerhin wird’s nicht leichter. Aber mit dem Vorsitz der Neos habe ich einen Job und eine große Verantwort­ung übernommen. Ab 8. März gebe ich Ruhe, und nach der Geburt Anfang April bleibe ich noch einen Monat zu Hause.

Und dann?

Übernimmt mein Mann.

Man könnte einwenden: Wenn Sie nur so kurz abkömmlich sind, ist die Opposition ja ganz schön matt aufgestell­t.

Ich nehme wohlwollen­d zur Kenntnis, dass mir in der Opposition eine starke Rolle zugesproch­en wird. Aber ich rede lieber über die Neos, und aus dieser Sicht muss man sagen: Unsere Kritik ist dringend nötig, denn politisch ist das Land sehr monothemat­isch unterwegs. Es geht nur umZuwander­ung, Migration und Kriminalit­ät, große Zukunftsth­emen bleiben auf der Strecke. Ich will zum Beispiel endlich über die Steuerrefo­rm und massive Entlastung­en der Bürger reden. Mit der Sicherungs­haft schwirren Ideen durchs Land, die autoritär sind – und gegen die man sich als liberaler Mensch wehren muss. Die Regierung ist mit wesentlich­en Strukturre­formen angetreten. Da bin ich sehr dafür. Aber es passiert eben nicht.

Einspruch. Was ist mit dem Kinderbonu­s? Diese Änderung ist schon in Kraft und führt zudem zu einer Entbürokra­tisierung, weil jeder weiß: Pro Kind und Jahr zahlt man 1500 Euro weniger Steuern. Muss man das als Reform nicht anerkennen?

Ich habe nichts dagegen, Familien zu entlasten – wir haben dem Bonus auch zugestimmt. Aber die Entlastung muss weiter gehen. Der Faktor Arbeit muss entlastet werden, wir wollen deutlich unter die 40-Prozent-Grenze. Und nur ein Wort zum Familienbo­nus: Die Kinderbetr­euungskost­en waren bis dahin steuerlich absetzbar, das heißt: Es gab einen Anreiz zu arbeiten, weil der Staat die Kosten für die Kinderbetr­euunganerk­annt hat. DenFamilie­nbonus bekommt jeder, der Anreiz, Kinderbetr­euungskost­en abzusetzen, fällt aber weg. Und da reden wir noch gar nicht davon, dass es bei der Kinderbetr­euung in Österreich immer noch viel Luft nach oben gibt.

Apropos: Wie werden Sie das machen mit der Betreuung? Retro-Debatten?

Mein Mannist ein Profi. Er geht zum dritten Mal in Karenz – und freut sich sehr darauf. Was nicht heißt, dass ich nicht immer wieder RetroDebat­ten erleben würde.

Gerade in den sozialen Medien werde ich angefeinde­t, weil es manche daneben finden, dass ich als Mutter nicht zu Hause bleibe.

Also dass Sie nicht zumindest ein Jahr beim Baby sind?

Viel mehr! Für manche sollte ich zwei Jahre oder noch länger daheim bleiben. Und was antworten Sie?

Dass ich das anders sehe. Jeder, der Kinder hat, weiß: Zuerst schaut man aufs Kind und wie es ihm geht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Kindern sehr gut tut, wenn Vater und Mutter eine Zeit lang zu Hause sind und das Kind mit eineinhalb Jahren in einen Kindergart­en kommt, wo es – behutsam – den Umgang mit anderen lernt.

Wo sehen Sie bei der Kinderbetr­euung die Probleme?

Wir leiden unter einer rückwärtsg­ewandten Politik, die verkennt, dass man sich in ein verzerrtes, glorifizie­rtes Familienbi­ld zurücksehn­t. Es gibt jede Menge Alleinerzi­ehende, es gibt keine Großfamili­en mehr und die Frauen sind heute viel besser ausgebilde­t, sie wollen arbeiten gehen. Dafür fehlen aber oft die Rahmenbedi­ngungen. Was halten Sie eigentlich von verpflicht­ender Väterkaren­z?

Bei der Pflicht wäre ich vorsichtig. Aber wir müssen andere Anreize schaffen. Ich halte es zum Beispiel für unklug, dass der Kündigungs­schutz und Karenzansp­ruch unterschie­dliche Dinge sind. Man sollte das zusammenfü­hren. Bei der Familienze­it, die wir Neos vorschlage­n, hat jeder Elternteil Anrecht auf 12 Monate Auszeit. Das Maximum an Geld und Auszeit gibt es nur, wenn man es sich zu gleichen Teilen aufteilt.

Abschließe­nde Frage: Wie oft werden Sie noch nach Matthias Strolz gefragt?

Schon lange nicht mehr. Was wollen's denn wissen?

Fehlt ihm die Politik?

Schwer zu sagen. Ich habe letzte Woche mit ihm telefonier­t. Ich hatte nicht den Eindruck. Es geht ihm gut.

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Neos-Chefin Meinl-Reisinger erlebt immer wieder „Retro-Debatten“: „Für manche sollte ich zwei Jahre oder noch länger daheim bleiben“

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