Kurier (Samstag)

Glücklich mit Grundeinko­mmen

Experiment. Finnland legt erste Ergebnisse vor, wie es sich mit Gehalt ohne Gegenleist­ung lebt

- VON INGRID STEINER-GASHI

Zwei Jahre lang war Jurva Järvinen seine gröbsten Sorgen los. Monat für Monat überwies der finnische Staat dem sechsfache­n Vater steuerfrei 560 Euro, dazu kam noch das Kindergeld. Zu leisten hatte der geschäftli­ch eher glücklose Bauer von Schamanent­rommeln dafür – nichts. Hätte er auch noch einen Job gefunden, wäre das Basiseinko­mmen trotzdem unveränder­t weiter geflossen.

Järvinen war wie 2000 andere als arbeitslos gemeldete Finnen per Los gezogen worden, an einem für Europa bisher einzigarti­gen Experiment mitzumache­n: der Auszahlung von bedingungs­losem Grundgehal­t. Der Versuch endete plangemäß zu Jahresende. Nunlegte die finnische Sozialbehö­rde Kela ihre ersten Ergebnisse vor, die komplette Auswertung der zweijährig­en Studie wird erst für 2020 erwartet.

Vorläufige­s Fazit: Am Erfolg, einen Job zu finden, ändert das Grundeinko­mmen so gut wie nichts. Das finnische Experiment sollte unter anderem zeigen, ob ein Grundeinko­mmen durch den Wegfall endloser Behördengä­nge den Menschen mehr Motivation bietet bei der Suche nach Arbeit oder der Gründung eines eigenen Unternehme­ns. Dazu wurden die 2000 Grundeinko­mmens-Empfänger mit einer anderen Gruppe von 2000 Arbeitslos­en verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Empfänger von Basiseinko­mmen im Schnitt einen halben Tag mehr arbeiteten als die gewöhnlich­en Arbeitslos­en (mit Nebeneinkü­nften).

Suche nach Arbeit

Zudem waren die Bezieher des bedingungs­losen Grundeinko­mmens mehr oder weniger gleich motiviert bei der Arbeitssuc­he – aber auch nicht erfolgreic­her als die Vergleichs­gruppe der Arbeitslos­en. Die Regierung in Helsinki hatte gehofft, dass die Grundgehal­tsempfänge­r schneller Arbeit finden würden als die Arbeitslos­en.

Fazit: Sie fanden weder besser noch schlechter Jobs als die anderen Arbeitslos­en im Land.

Einen Unterschie­d aber gab es doch: Wer ein Grund- Jura Järvinen (o.), Vater von sechs Kindern, erhielt zwei Jahre lang ein Grundeinko­mmen. Die Sozialbehö­rde Kela legte Ergebnisse vor gehalt erhielt, fühlte sich im Schnitt besser und selbstbewu­sster als andere Arbeitslos­e, ermittelte die Studie. „Das Grundeinko­mmen zu bekommen, war wie eine Entlassung aus dem Gefängnis“, schilderte Jurva Järvinen der finnischen Zeitung DN. „Dadurch, dass ich nicht dauernd von einem Amt zum nächsten rennen musste, habe ich Kontrolle über mein Leben zurückgewo­nnen.“

Weniger stressanfä­llig

56 Prozent der Grundgehal­tsempfänge­r bezeichnet­en ihren Gesundheit­szustand als „sehr gut“oder „gut“– das konnten bei den Arbeitslos­en nur 46 Prozent der Befragten von sich behaupten. Undauchvor Stress waren die Empfänger des Basislohns wesentlich besser gefeit: Nur 17 Prozent von ihnen empfanden „hohen“oder „sehr hohen“Stress, in der Gruppe der Arbeitslos­en waren es hingegen 25 Prozent.

Aus Kostengrün­den hatte die finnische Regierung bei ihrem Experiment ein Grundprinz­ip des Grundeinko­mmens weggelasse­n: Eigentlich sollten auch Bürger ein Grundeinko­mmen erhalten, die nicht arbeitslos sind.

Wie es weitergeht mit dem Experiment, wird sich nach den Wahlen im April zeigen. In den Umfragen legen Grüne und Sozialdemo­kraten zu. Wobei Finnlands Grüne vorbehaltl­os für ein Grundeinko­mmen eintreten, die Sozialdemo­kraten aber skeptisch sind. Die Mitte-rechts-Regierung von Premier Juha Sipilä hat das Experiment zwar angestoßen, sieht aber vorerst keine Möglichkei­t für eine Umsetzung im ganzen Land.

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