Österreichs ungesunde Entwicklung
EU-Bericht. Reformstau bei Pflege, Spitälern und Pensionen geortet ! ! ! ! ! !
81,8 Jahre: So alt werden statistisch betrachtet jene Winzlinge, die derzeit auf Österreichs Säuglingsstationen das Licht der Welt erblicken. Das ist ein guter, aber kein Spitzenwert: Spanier werden mit 83,5 Jahren noch deutlich älter.
Bedenklich ist, dass Herr und Frau Österreicher im Alter öfter und länger unter Einschränkungen leiden: Bei den Frauen betrifft das 32 Prozent ihrer Lebenszeit, bei Männern 28 Prozent (ihnen sind aber fast fünf Jahre weniger vergönnt). Damit ist Österreich das EU-Schlusslicht. Das mag am Lebenswandel liegen – ungesundes Essen, Trinken, Rauchen, zu wenig Bewegung. Der jüngste EU-Länderbericht stellt aber auch Österreichs Gesundheitssystem kein ideales Zeugnis aus.
Dieses kostet pro Kopf und Jahr um 728 Euro mehr als im EU-Schnitt. Gemessen an den Resultaten ist das zu viel. Die von der Regierung initiierte Fusion der Krankenkassen sei „ein kleiner Schritt, der zunächst Anlaufkosten verursacht“, sagt Marc Fähndrich, wirtschaftspolitischer Berater der EU-Kommission. „Obes langfristig Einsparungen bringt, werden wir erst am Ende sehen.“Der viel größere Kostentreiber sei der Spitalsektor: Die Österreicher sind öfter und länger in den Ambulanzen. Es werden Krankenhäuser gebaut, weil es Bundesländer so wollen – nicht weil es den Bedarf gibt. Medizin-Equipment wie MRT-Geräte wird in den seltensten Fällen EUweit ausgeschrieben und somit zu teuer eingekauft. Und es wird zu viel Geld in die Reparatur von Krankheiten und Schäden gesteckt anstatt in die Vorsorge und Vermeidung.
Die Prognose geht von einer Verdoppelung der öffentlichen Ausgaben für die Langzeitpflege bis 2070 aus. Die Abschaffung des Pflegeregresses habe den Anstieg noch beschleunigt.
Bleibt Österreichs großzügiges Pensionssystem auf lange Sicht leistbar? Das ist ein großer innenpolitischer Zankapfel. Aus Sicht der EU-Kommission gibt es ein mittelfristiges Risiko fürs Budget: Die Kosten seien mit 13,8 Prozent der Wirtschaftsleistung höher als der EU-Vergleichswert (11,2 Prozent) und auch der prognostizierte Kostenanstieg bis 2040 ist größer. Die Experten empfehlen die Koppelung des Pensionsantritts an die steigende Lebenserwartung und raschere Angleichung des Frauenantrittsalters.
2016 hatte die EU-Kommission sehr positiv bewertet. Der seit heuer wirksame Familienbonus sei teuer, bringe aber (geringfügige) Verbesserungen für Wachstum, Beschäftigung, Konsum und Investitionen. Bei den jüngst von der Regierung bis 2020 angekündigten Reformschritten bedauern die Experten, dass sich am Steuer-Mix nichts ändern soll. Denn Österreich sei bei der Belastung der Arbeit unverändert weit vorne – bei Steuern auf Kapital, Vermögen und Erbschaften sowie Ökosteuern hingegen weit hinten. Was kein reines Thema von Gerechtigkeit ist: Die hohe Besteuerung des Faktors Arbeit sei vielmehr schädlich für das Wachstum. Die „kalte Progression“, die dem Finanzminister ein automatisches Körberlgeld verschafft, sei „nicht hinreichend angegangen“. Unddie Bevorzugung von Diesel ergebe keinen Sinn mehr. Bei Schulden und Budget sieht die Kommission keine akute Schieflage. Nächstes Jahr dürfte Österreich das mittel- fristige Budgetziel der EUerreichen. Was nicht alle Länder schaffen.
Die Regierung setzt hierauf einen Fokus. Zu Recht. „Auf dem Papier sind das wichtige Maßnahmen“, so Fähndrich. Unklarheit gebe es noch über die Umsetzung, Mittelausstattung und das Monitoring. Beim EU-Digitalisierungsindex liegt Österreich auf Platz 11 von 28. Was den Großfirmen zu verdanken ist – die Klein- und Mittelbetriebe hinken eher hinterher.