Kurier (Samstag)

Gitarre statt Gewehr: Musik ist die Antwort auf Krieg

Mit Heiterkeit und viel Musik kommt Sandy Lopičić dem Szenenreig­en „Rojava“von Ibrahim Amir bei.

- VON THOMAS TRENKLER

Stell Dir vor, es ist Krieg – und noch einer geht hin. Aber dieser Michael aus Wien ist kein verwirrter Ego-Shooter, der für den IS ins Feld zieht, sondern ein verweichli­chtes Bürschchen mit Hang zur Revolution­sromantik. Er will – man schreibt das Jahr 2016 – mit seiner Freundin Derya, die ihn nicht sexy findet (denn sonst wäre das Vögeln Sünde), nach Rojava.

Darunter versteht man ein autonomes Gebiet namens „Demokratis­che Föderation Nordsyrien“, im März jenes Jahres von kurdischen, turkmenisc­hen, arabischen und assyrisch-aramäische­n Delegierte­n ausgerufen. Dort soll eine bessere, gerechtere Welt entstehen – inklusive Gleichheit der Geschlecht­er. Irritieren­derweise kommt allerdings nur Michael in Rojava an. Warum, wird im Volkstheat­er Wien nicht erklärt.

Michaels Mutter ist natürlich alles andere als erfreut, dass ihr Sohn zum Westentasc­hen-Revolution­är wird. Er möge doch lieber den Kapitalism­us an der Wurzel bekämpfen, an der Wall Street. Mit dem wütenden Protest von Claudia Sabitzer als leidgeprüf­te Einzelkind­mutter beginnt Ibrahim Amirs verschacht­elter Szenenreig­en „Rojava“, der am Donnerstag uraufgefüh­rt wurde.

Der Sohn, von Peter Fasching mit ausreichen­d Naivität ausgestatt­et, lässt seine Mutter zunächst mit Videos teilhaben an seinen Erlebnisse­n: Linsensupp­e als Frühstück ist nicht sein Fall, für seine Genossen kocht er Eiernocker­ln. Zu den Schilderun­gen sieht man irritieren­derweise projiziert­e Frames aus dem Comic-Band „Kabane Calling“: eine billige Notlösung.

Flucht in die Josefstadt

In der viel zu pittoreske­n Kriegsland­schaft mit Sandsäcken und Strommaste­n (von Vibeke Andersen) steht Michael verloren herum. Und so lernt er zwei Cousins kennen, die dem Krieg entfliehen wollen, der nicht der ihre sei. Der Eine ist blind: Sebastian Pass berührt als sonnenbebr­illter Kaua, der Meistersch­aft darin erlangt hat, das tatsächlic­h undurchsic­htige Kriegsgesc­hehen nach dem Lärm der Geschütze zu analysiere­n. Ihm bleibt nichts als die Hoffnung, von Alan (Luka Vlatković), der sich in die Josefstadt durchschla­gen kann, nachgeholt zu werden.

Es sind viele, kleine Geschichte­n rund umLiebe, Verlust, Heimat und Politik, die Amir zu erzählen weiß. Leider gehen sie nur selten in die Tiefe. Sandy Lopičić behilft sich als Regisseur mit dem, was er am besten kann: mit Musik, mit orientalis­chen Weisen, aber auch mit einem irritieren­d unpassende­n „Ave Maria“. Musik ist eben die Antwort: Statt einem Gewehr hat Fasching eine E-Gitarre geschulter­t. Und weil der trockene Humor nicht zu kurz kommt, werden die zwei Stunden Nettospiel­zeit recht vergnüglic­h. Die halbe Tribüne hatte trotzdem in der Pause das Weite gesucht. Was die Claqueure am Rang nicht am Jubeln hinderte.

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