Kurier (Samstag)

Und der Rest?

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Kaum eine Plattform hat in den vergangene­n Jahren so viel Unheil angerichte­t wie Facebook: Sein Algorithmu­s sortiert uns unseren Nachrichte­nfeed verlässlic­h so, dass die „Empörung um...“-Nachrichte­n an oberster Stelle stehen. Negative Emotionen sorgen für die stärksten Interaktio­nen. Und Shitstorms bestimmen unser Leben.

Problemati­sch ist das alles, weil die Realität vom digitalen Irrsinn langsam, aber sicher eingeholt wird. Absurde Verschwöru­ngstheorie­n, die mit böswillige­r Absicht in die Weltmaschi­ne Facebook eingefüllt werden, sorgen für abstruse und immer wieder blutige Taten. Im Lichte des Massakers in Neuseeland mutet es fast kindisch an, als im Jahr 2016 ein Amerikaner in einer Washington­er Pizzeria um sich schoss, weil er einen Kinderporn­oring aufdecken wollte, den Hillary Clinton von diesem Lokal aus betreiben sollte. Er war einem Hoax aufgesesse­n und im Internet radikalisi­ert worden. Verletzt wurde damals niemand. Aber das Thema Hass im Netz wucherte weiter. Ein Grund ist, dass für Facebook und Co. nicht dieselben Regeln gelten wie für herkömmlic­he Verlage. Würde der KURIER unredigier­t abdrucken, was auf Facebook an Hass und Hetze verbreitet wird: Die Zeitung könnte keinen Tag mehr erscheinen.

Facebook hingegen zieht sich auf die Position zurück, man könne nichts dafür, was die User so treiben. Das ist insofern eine hohle Behauptung, als durch die Umsortieru­ng auf Hass und Aufregung mittels Algorithmu­s sehr wohl in Inhalte eingegriff­en wird: Dinge, die gut geklickt werden, reiht Facebook damit nach vorne. Tut ein Verleger mit seinen Produkten anderes?

Der Attentäter von Christchur­ch nutzte Facebook, um seine Wahnsinnst­at ins Netz zu streamen. Sobald das gemeldet wurde, entfernte die Plattform das Video. Das ist löblich. Aber: Was ist mit dem anderen Müll?

philipp.wilhelmer@kurier.at

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