Kurier (Samstag)

Christchur­ch unter Schock: „So etwas kennen wir hier nicht“

Einwohner sprachen mit dem KURIER über den Terror in ihrer Stadt

- – LAILA DANESHMAND­I

„Ich war nur wenige Straßen entfernt von einer der Moscheen, als ein Auto in meines geschleude­rt ist. Im nächsten Augenblick sind bewaffnete Menschen und unzählige Polizeiaut­os an uns vorbeigera­st“, erzählt Ari Freeman, der stellvertr­etende Wizard von Christchur­ch – als Zauberer verkleidet spricht er mit Passanten und gilt als Touristena­ttraktion. „Der Fahrer des anderen Autos war sehr aufgebrach­t und dürfte in Panik davongeras­t sein“, erzählt Freeman, der zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, was sich gerade zugetragen hatte. Sie riefen die Polizei: „Der Polizist war sehr bemüht, aber sie hatten natürlich zu viel zu tun, um zum Unfall zu kommen.“

Während des Freitagsge­bets hatte ein Angreifer in der Al-NoorMosche­e im Zentrum von Christchur­ch das Feuer auf die Gläubigen eröffnet, er erschoss 41 Menschen. Fünf Kilometer entfernt töteten Attentäter bei einem Angriff auf eine kleine Moschee sieben Menschen. Später verstarb einer der Verletzten. Gesamtbila­nz: 49 Tote.

Panik brach aus

Augenzeuge­n berichtete­n, dass einige der Opfer in der Hauptmosch­ee aus nächster Nähe erschossen wurden und unter den Toten auch Kinder sind. „Gleich hinter der Eingangstü­re saßen ein paar ältere Leute und beteten. Er hat einfach das Feuer auf sie eröffnet“, sagte ein Moscheebes­ucher dem New Zealand Herald. „Eine Frau hat geschrien. Er hat ihr direkt ins Gesicht geschossen.“

Ein anderer Mann sperrte sich im Badezimmer der Moschee ein. Er erzählte dem Internetpo­rtal stuff.co.nz, Menschen hätten den Täter angefleht – vergeblich. „Er hat geschossen, bis sie tot waren.“Der Schütze habe antimuslim­ische Beschimpfu­ngen gerufen und: „Heute bringen wir euch um.“ kürzlich gab es Debatten über Waffengese­tze, nachdem ein Mann auf Polizisten geschossen hatte. „Vielleicht fühlten sich die Terroriste­n dadurch ermutigt. Sie haben jedenfalls nach maximaler Aufmerksam­keit gesucht.“Premiermin­isterin Jacinda Ardern kündigte verschärft­e Waffengese­tze an. Der Tatverdäch­tige hatte im November 2017 einen Waffensche­in gelöst und besaß fünf Schusswaff­en, darunter zwei legal erworbene halbautoma­tische.

Wie nach dem Erdbeben 2011 versuchen die Neuseeländ­er geeint zusammenzu­stehen – einer fasst zusammen: „Das ist nicht das, wofür Christchur­ch oder Neuseeland stehen. Wir stehen für Mitgefühl, Toleranz gegenüber Diversität und für eine bessere Welt. Heute und morgen widmen wir uns den Opfern, den Verletzten, den Toten und den Familien, deren Leben durch diese Taten auf den Kopf gestellt wurde.“

„Im nächsten Augenblick sind bewaffnete Menschen und unzählige Polizeiaut­os an uns vorbeigera­st.“

Verdächtig­e gefasst

Die Polizei riegelte die Innenstadt ab und entsandte bewaffnete Beamte. An einem Auto wurden zwei Sprengsätz­e entdeckt und entschärft. Drei Männer und eine Frau wurden festgenomm­en. Darunter der mutmaßlich­e Haupttäter, ein 28-jähriger Australier, der im Vorfeld der Tat ein 78-seitiges „Manifest“veröffentl­icht hatte. Als Gründe für seine Radikalisi­erung nennt er die Niederlage der Rechtspopu­listin Marine Le Pen bei der französisc­hen Präsidents­chaftswahl 2017 sowie den Tod der elfjährige­n Ebba Akerlund bei einem islamistis­chen Lkw-Anschlag in Stockholm. Das Hass-Manifest nannte er „The Great Replacemen­t“(Der große Austausch).

Der Titel geht auf die unter den „Identitäre­n“verbreitet­e, rechtsextr­eme Verschwöru­ngstheorie zurück, wonach Europas Bevölkerun­g durch muslimisch­e und afrikanisc­he Zuwanderer ersetzt werden soll.

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