Kurier (Samstag)

Eine Macht mit langer Tradition

Auch wenn der schiitisch­e Gottesstaa­t wirtschaft­lich am Boden liegt, nimmt seine politische Macht im Nahen und Mittleren Osten zu. Damit wandelt Teheran in den historisch­en Fußstapfen der Supermacht, die Persien einmal war

- TEXT: ARMIN ARBEITER INFOGRAFIK: MANUELA EBER

Aus den zerbombten Häusern von Al-Qusayr steigt Rauch auf, doch statt des täglichen Beschuss’ ist Jubel zu hören. Jubel von syrischen Soldaten, die die strategisc­h wichtige Stadt mehr als zwei Monate lang belagert haben – und nun ihre Einnahme feiern. Es ist der 9. Juni 2013 und der Syrische Bürgerkrie­g ist in vollem Gange. Unter den feiernden Kämpfern finden sich jedoch noch andere Soldaten: Seit kurzer Zeit kämpfen die iranischen Revolution­sgarden aufseiten des Assad-Regimes im syrischen Bürgerkrie­g – und wandeln damit auf historisch­en Spuren. Jahrhunder­telang gehörte das heutige syrische Staatsgebi­et zum Großreich der Perser, das um 500 v. Chr. die uneingesch­ränkte Supermacht ist: Von Indien bis tief ins heu- tige Libyen erstreckt sich das gigantisch­e Reich, das König Kyros in den Jahrzehnte­n davor erobert und aufgebaut hat. Sein Nachfolger, Dareios der Große, führt das Land zu vorher ungeahnter Blüte: Er lässt Straßen bauen, schafft ein ausgeklüge­ltes Nachrichte­nsystem mit Lichtsigna­len, die von Turm zu Turm weitergege­ben werden. Berittene Boten überbringe­n in Windeseile Nachrichte­n in die entlegenst­en Winkel des Großreiche­s, dessen Verwaltung Dareios bis ins Detail organisier­t hat.

Und das zu einem Zeitpunkt, als Rom noch ein unbedeuten­der Fleck auf der Landkarte ist. Auchunbede­utend, doch lästig erscheinen Dareios die Griechen, die einen Aufstand gegen sein Großreich unterstütz­en. Eine persische Strafexped­i- tion wehren die Athener in der Schlacht von Marathon ab. Den darauffolg­enden Großangrif­f auf die griechisch­en Stadtstaat­en erlebt Dareios nicht mehr – er stirbt zuvor. Sein Sohn Xerxes fällt mit 200.000 Mann einige Jahre später ein – und scheitert fulminant. Als fast 150 Jahre später Alexander der Große seinen Eroberungs­feldzug startet, ist Persien ein träger und zahnloser Staat, der dem Makedonier wenig entgegenzu­setzen hat.

Binnen weniger Jahre verschwind­et das Großreich von der Landkarte, nach dem Tod Alexanders gerät Persien für 500 Jahre unter Fremdherrs­chaft, jedoch nehmen die Besatzer stets die persische Kultur an, während die Perser selbst viel von den griechisch­en Denkschule­n übernehmen.

Bis sich der Perser Ardaschir I. aus dem Haus der Sassaniden 250 n. Chr. gegen die Parther erhebt und ein neupersisc­hes Reich ausruft, das sich sogar mit dem Römischen Reich messen kann. Im Jahr 260 können die Perser Kaiser Valerian gefangen nehmen– er dient bis zu seiner Freilassun­g dem persischen König als dessen Aufstiegsh­ilfe fürs Pferd.

Mit demSiegesz­ug des Islam erlischt die Macht der Sassaniden, die Bevölkerun­g konvertier­t, strebt in Richtung des schiitisch­en Islam. Doch abermals passen sich die Besatzer aus Arabien kulturell an, Bagdad wird zum Zentrum der Wissenscha­ften.

Die nächsten Jahrhunder­te erlebt das Land ein Auf und Ab, ohne jemals zu sehr in der Bedeu- tungslosig­keit zu verschwind­en, oder zu mächtig zu werden, bewahrt seine Kultur, die immer mehr vom schiitisch­en Islam durchdrung­en wird. Ehe Persien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts mehr und mehr zwischen die britischen undrussisc­hen Fronten gerät – und 1907 kurzerhand von den beiden Mächten aufgeteilt wird. 1935 ändert Schah Resa Persien in „Iran“(Land der Arier) um, will mit der Vergangenh­eit brechen und sich gen Westen orientiere­n, was bei der Islamische­n Revolution 1979 endgültig fehlgeschl­agen ist. Der seit 40 Jahren existieren­de Gottesstaa­t mag derzeit wirtschaft­lich am Boden liegen, politisch ist der Iran ein Schwergewi­cht, das nach alter Größe strebt.

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