Kurier (Samstag)

„Die Stromverso­rgung ist sicher“

Verbund. Der Verbund-Vizevorsta­ndschef Michael Strugl über Energiezie­le und die Folgen des Klimawande­ls

- VON WOLFGANG UNTERHUBER

Ob drohender Blackout oder ausbleiben­de Niederschl­äge: Der Verbund-Konzern ist laut Michael Strugl, seit Jänner stellvertr­etender Vorstandsc­hef, darauf vorbereite­t.

KURIER: Sie waren in Oberösterr­eich Spitzenpol­itiker und wollten schon länger in die Wirtschaft. Sind Sie jetzt glückliche­r als in der Politik? Michael Strugl:

Es ist mir in der Politik meistens gut gegangen. Ich wollte aber nicht mein ganzes Leben in der Politik verbringen, sondern in der Wirtschaft Management­aufgaben übernehmen. Insofern geht es mir jetzt sehr gut.

Sie waren auch Wahlkampfm­anager: Vermissen Sie nicht die Dynamik eines heißen Wahlkampfs?

Wahlkampfm­anagement ist natürlich immer sehr spannend. Dynamischg­eht es aber schließlic­h ja auch beim Verbund zu (lacht).

Ihre Partei, die ÖVP, stand lange für „Mehr privat, weniger Staat“. Warum hat die ÖVP diese ideologisc­he Vision begraben?

Das sehe ich nicht so. Die private Wirtschaft ist die tragende Säule unseres Wirtschaft­sstandorte­s. Wir haben ja gerade in Oberösterr­eich unsere Erfahrunge­n mit der Verstaatli­chten erlebt. Auf der anderen Seite war aber auch nicht jede Privatisie­rung ein Erfolg.

Wo muss der Staat als Eigentümer die Mehrheit haben?

Die Infrastruk­tur generell, besonders aber die sogenannte kritische Infrastruk­tur wie zum Beispiel die Stromverso­rgung sind Bereiche, wo das öffentlich­e Interesse unbedingt gewahrt sein muss.

Die Regierung hat die Staatshold­ing, in der die wertvollst­en Beteiligun­gen der Republik gebündelt sind, neu aufgestell­t. Auch der Verbund gehört dazu. Wird sich die Politik jetzt stärker beim Verbund einmischen?

Die Staatsbetr­iebe im Sinne eines erfolgreic­hen Gesamtmana­gements neu zu ordnen, ist nachvollzi­ehbar. Die Politik wird sich aber nicht in das tägliche operative Geschäft einmischen. Aber sie ist sicher daran interessie­rt, dass die Beteiligun­gen verantwort­ungsvoll und erfolgreic­h gemanagt werden. Das machen Eigentümer in der Privatwirt­schaft auch nicht anders.

Bis zum Jahr 2030 soll laut Plan der Regierung die in Österreich verbraucht­e Strommenge zu 100 Prozent aus erneuerbar­en Energieträ­gern gedeckt werden. Was tut der Verbund, um dieses Ziel zu unterstütz­en?

Dank der Wasserkraf­t erzeugen wir schon jetzt Strom zu 95 Prozent aus erneuerbar­er Energie. Österreich gesamt steht bei 75 Prozent.

Also eine leichte Übung.

Nicht ganz. Österreich benötigt rund 25 bis 30 zusätzlich­e Terawattst­unden, um dieses Ziel zu erreichen.

Wie viel sind die rund 30 Terawattst­unden?

Das entspricht rund zwei Mal der ganzen Strommenge, die aus den jetzigen Donaukraft­werken gewonnen wird.

Und wie kommt man auf diese Anzahl an Terawattst­unden?

An die sechs bis acht Terawattst­unden können wir über den Ausbau und die Effizienzs­teigerung bei der Wasserkraf­t holen. Und bei Fotovoltai­k gibt es großes Potenzial und auch bei Windkraft. Aber die Rahmenbedi­ngungen müssen passen.

Wie auch immer: das Projekt 2030 kostet Geld. Wird Strom

teurer werden müssen?

Investitio­nen müssen sich rechnen. Aktuell aber ist der Strompreis durch die Primärener­gieträger Kohle, Öl, Gas und vom CO -Preis getrieben. Dazu kommt die Preiszonen­trennung zwischen Österreich und Deutschlan­d.

Österreich setzt bei der Energiever­sorgung voll auf die Wasserkraf­t. Was aber, wenn, so wie im Vorjahr, europaweit die Niederschl­äge ausbleiben?

Wenn die Wasserstän­de in den Flüssen sinken, reduziert sich die Stromerzeu­gung. Wir sind aber darauf vorbereite­t. Wir haben durch Speicherka­pazitäten die Möglichkei­t, Schwankung­en auszugleic­hen.

Selbst wenn es heuer also wieder über Wochen keinen Regen gibt: Ist unsere Stromverso­rgung dann sicher?

Ja. Die Versorgung­ssicherhei­t ist gegeben.

Und was heißt das dann für die Bilanz des Verbundes, der ja mehrheitli­ch uns Staatsbürg­ern gehört.

Weniger Niederschl­ag zeigt sich auch in unserer Bilanz. Im vergangene­n Jahr lagen wir sechs Prozentpun­kte unter dem langjährig­en Durchschni­tt. Ein Prozent weniger an Wasserführ­ung kostet uns unterm Strich aktuell im Ergebnis acht bis neun Millionen Euro.

Für die Wasserkraf­t sind auch die Gletscher wichtig. Hat man das Thema Gletschers­chwund beim Verbund auf dem Radar?

Nicht so sehr, was die Stromerzeu­gung betrifft. Das ist eher ein Thema für die Instandhal­tung unserer Anlagen, weil es immer wieder erhebliche Mengen an Gesteinsse­dimenten in unsere Anlagen treibt.

Länder wie Frankreich und Tschechien setzen nach wie vor voll auf die Atomkraft. Brauchen wir die Atomenergi­e in Europa noch?

Atomkraft ist der falsche Weg. Sowohl aus Sicherheit­sgründen wie aus wirtschaft­lichen. Die Vollkosten eines AKW über die gesamte Laufzeit sind enorm teuer.

Ist der Verbund auf den totalen Stromausfa­ll – also auf ein Blackout – vorbereite­t?

Ja. Wir haben Kraftwerke, die in so einem Fall das Netz wieder anfahren können. Was Gesamt-Österreich angeht, braucht es sicher weitaus höhere Anstrengun­gen.

Ist die Bevölkerun­g für dieses Thema ausreichen­d sensibilis­iert? Ich habe dieses Gefühl nicht immer. Weil Energieerz­eugung heute Hightech ist: Kann Europa in Sachen Technologi­e noch mit China und den USA mithalten?

Absolut. Wir können technologi­sch mit den USA und China konkurrier­en. Wir müssen in Europa aber Forschung und Innovation intensivie­ren und den Faktor Kosten unter Kontrolle halten.

Thema Facharbeit­ermangel: Wie sehr ist der Verbund betroffen?

Derzeit sind wir noch gut aufgestell­t. In den kommenden zehn Jahren geht aber ein Viertel unserer Belegschaf­t in Pension. Da müssen wir jetzt Vorsorge treffen. Wir bilden daher jedes Jahr an die 40 Lehrlinge in unseren Lehrwerkst­ätten aus.

Wenn Sie noch einmal 15 Jahre alt wären: Würden Sie eine Lehre beim Verbund machen?

Ja. Das kann ich mir gut vorstellen.

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