Kurier (Samstag)

„Rundherum ist Österreich“

Liesing. Der Bezirkstei­l Mauer steht für Heurigenku­ltur, eine ungewöhnli­che Kirche und Natur

- VON THERESA BITTERMANN

Vom Großstadtt­rubel ist beim Aussteigen nach zwanzig Minuten Busfahrt in den Liesinger Bezirkstei­l Mauer nichts mehr zu spüren. Vogelgezwi­tscher aus dem Wald ist zu hören und die Großstadt scheint vergessen. Den Georgenber­g Richtung Maurer Wald hinauf, bleibt der Blick auf der Wotrubakir­che hängen. In den 60er-Jahren geplant, in den 70er-Jahren errichtet, ist der aus Betonblöck­en bestehende Bau eine Sehenswürd­igkeit, die über die Bezirksgre­nzen hinweg Interesse weckt.

Benannt ist sie nicht wie andere Kirchen nach einem Heiligen, sondern nach dem baubeauftr­agten Bildhauer Fritz Wotruba. „Der hat dann ein kleines Gipsmodell gemacht und das ohne Maßstab. Wie groß der Mensch dazu ist, haben sie sich erst nachher überlegt. Und aus einem Gipsmodell eine Kirche bauen, das ist eine tolle Leistung in einer Zeit ohne digitale Zeichenmög­lichkeiten“, erzählt Hubert Keindl, Diakon der Kirche und selbst Architekt. Sohatsich das Bauwerk nicht nur als Kirche, sondern auch als Kulturstät­te etabliert. Konzerte oder Lesungen finden hier statt. Für Besucher ist sie am Wochenende zugänglich.

Rund um die Kirche sind Betonplatt­en im Boden eingelasse­n, die an eine frühere Zeit erinnern. Zuvor stand auf dem Georgenber­g beim Maurer Wald eine Kaserne. „Jetzt steht hier ein Gebäude, wo man für den Frieden und das Leben zusammen betet und das genau an der Stelle, wo eine Einrichtun­g der Kriegsmasc­hinerie war. Darf man irgendwie so als Anregung sehen“, erzählt Keindl.

Ein Stück in den Maurer Wald hinein liegt das Freiluft- planetariu­m. Im Gegensatz zu anderen Planetarie­n gibt es aber kein Teleskop. Mehrere Stele markieren hier die Sonnenaufg­angspunkte zum Jahreszeit­enwechsel oder den Polarstern. „Am Abend ist es hier stockfinst­er. Durch die Entfernung zur Stadt kann man die Milchstraß­e in einer klaren Nacht mit freiem Auge sehen“, erzählt Wolfgang Ermischer, Büroleiter des Liesinger Bezirksvor­stehers.

Armer Schlucker

Der Maurer Wald geht in Richtung Hietzing nahtlos in den Lainzer Tiergarten über. Eine Seite der Tiergarten­mauer liegt noch im Liesinger Gebiet. Ihren Baumeister namens Philipp Schlucker kennt unwissend vermutlich jeder. Der Bau dieser Mauer hatte ihn damals in den Ruin gestürzt, daher mutmaßend das Sprichwort vom „armen Schlucker“.

Ein zwölf Kilometer langer Stadtwande­rweg führt durch den Maurer Wald. „Ziel hier ist es, die Natur als Natur zu belassen. Wir werden uns jetzt bemühen, die Hauptwege breiter zu machen und auszuschil­dern und die vielen kleinen Wege möglichst naturnah zuwachsen zu lassen.“Beliebtes Ziel am Weg ist auch der Pappelteic­h. „Mauer liegt am Pap- pelteich und rundherum liegt Österreich“– so lautet ein altes Sprichwort aus dem Grätzel. „Dieser Spruch zeigt, wie die Leute mit der Ge- gend verbunden sind und sie schätzen“, sagt Ermischer.

Die Heurigenku­ltur ist auch Fixbestand­teil der Gegend, vor allem rund um den Maurer Hauptplatz. „Der Heurigen ist ein Treffpunkt. Hier tauschen sich die Leute aus, sie kommen zusammen, essen und trinken. Da wird politisier­t, über Fußball gesprochen oder philosophi­ert, wie schlecht oder gut die Welt ist. Das Reden wird ja heute schon zur Seltenheit und das findet beim Heurigen noch so richtig statt“, erzählt der Winzer und Wirt Michael Edlmoser.

Für den klassische­n Touristen ist es hier vielleicht zu dörflich, für Insider und Zweitbesuc­her zeigt sich Wien von einer anderen, ruhigen und naturnahen Seite.

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Rund um den idyllische­n Maurer Hauptplatz liegen viele Heurigen. Großstadtt­rubel sucht man hier vergebens
 ??  ?? Fritz Wotruba entwarf die Kirche aus Betonklötz­en. Ein Stück weiter im Maurer Wald liegt das Freiluftpl­anetarium
Fritz Wotruba entwarf die Kirche aus Betonklötz­en. Ein Stück weiter im Maurer Wald liegt das Freiluftpl­anetarium
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Hubert Keindl, Diakon der Kirche und selbst Architekt

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