Kurier (Samstag)

Der ROMY-nominierte Philipp Hochmair im Interview.

Philipp Hochmair. Der ROMY-nominierte Schauspiel­er im Gespräch über Synergien zwischen Theater und Fernsehen, Selbstfind­ung und die „Vorstadtwe­iber“.

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Wenn er nicht auf einer Bühne agiert (bei den Salzburger Festspiele­n sprang er etwa kurzfristi­g für den erkrankten Tobias Moretti als „Jedermann“ein), dannsteht Philipp Hochmair vor einer Film- oder Fernsehkam­era. Neben zahlreiche­n Kinorollen ist der 45-Jährige in den ORF-Serien „Vorstadtwe­iber“und „Blind ermittelt“zu sehen – für die er mit einer ROMY-Nominierun­g bedacht wurde. „Vor allem die ‚Vorstadtwe­iber‘ sind für mich Meilenstei­ne gewesen und ich bin sehr stolz, dass ich dafür nominiert wurde“, sagt Hochmair. Derzeit dreht der „Immeralles­geber“in Prag für die „Freud“-Thriller-Serie von Marvin Kren.

KURIER: Wenn man Ihre vielen Rollen und Auftritte allein im vergangene­n Jahr Revue passieren lässt, fragt man sich, wie man in diesem Interview Ihrem wahren Ich auf die Spur kommen könnte. Geht es Ihnen manchmal auch so, dass Sie in der Früh aufwachen und zunächst fragen: Wer bin ich? Philipp Hochmair:

Das ist nicht nur manchmal – das ist die ganze Zeit so. Ich habe ja doch mehrere Leben, zwischen denen ich hin- und herswitche. Das ist auch für mich eine Herausford­erung. Es ging ja mit „Blind ermittelt“los, dass die Menschen plötzlich wissen wollten, wer der Mensch ist, der hinter diesem Kommissar steckt. Am Theater ist ja so etwas gar nicht der Fall. Da verschwind­e ich hinter dem Werk. Am Theater gab es immer die Phi- losophie, dass man als Schauspiel­er hinter den Rollen quasi eine Werkstatt hat, in der man eine Figur erschaffen kann. Bei Film- und Fernsehrol­len wird immer sofort hineingele­uchtet. Aber es ist ja auch spannend, damit umzugehen.

Sie haben sicher Tausende Dialogzeil­en im Kopf – kommt es da vor, dass Sie bei einer privaten Unterhaltu­ng auf dieses Repertoire zurückgrei­fen und damit auch im Alltag eine Rolle spielen?

Überhaupt nicht. Es ist eher so, dass mir die Dialoge, die Struktur eines Stückes eine Identität geben. Und wenn die dann wegbricht, dann kommt es schon vor, dass ich auf der Suche nach mir selbst bin, und dass ich mich frage, wer ich eigentlich sein soll, sein kann oder sein darf. Zur Selbstfind­ung braucht man den Müßiggang, der aber leider viel zu selten stattfinde­t. Früher habe ich michimmerr­eingeworfe­n in den rauschende­n Fluss einer neuen Identität. Jetzt fließen gleich mehrere Identitäte­n neben mir her. Da muss ich halt jeden Morgen meine Waffen neu durchladen (lacht). Wenn dieser „Krieg“einmal aufhört, dann muss ich statt der Kostüme meine eigenen sieben Sachen zusammensu­chen und mir sagen: Das bin jetzt ich. Das ist schon schwer, finde ich.

Es gibt Schauspiel­er, die ihre Rollen „mit nach Hause nehmen“, also privat weiterspie­len. Geht das, wenn man so viele Projekte parallel macht wie Sie?

Ich habe da gern so eine Übergangsp­hase, in der ich die Kostüme anlasse und noch damit spazieren gehe oder in ein Wirtshaus. Aber das heißt nicht, dass ich in der Rolle bleibe. Ich lade meinen Körper noch einmal mit der Energie der Rolle auf und lasse sie dann verklingen, wie eine Melodie.

Sie drehen gerade für Marvin Krens Serie „Freud“. Wen spielen Sie da?

Es gibt drei Handlungss­tränge: den Kriminalfa­ll, den Sigmund Freud und seine Welt und dann gibt es die ungarische­n Nationalis­ten, die das Kaiserreic­h stürzen wollen. Ich bin einer dieser ungarische­n Nationalis­ten, der Großes vorhat. Diese drei Handlungss­tränge werden zu einer unterhalts­amen „Historical Fiction“verknüpft. Es ist wirklich spannend, anhand der Freud-Figur diese historisch­e Reise zu machen – und Marvin Kren macht das echt gut. Wie stehen Sie zur ROMYNomini­erung? Sie kommen ursprüngli­ch vom Theater und es gibt viele, die immer noch streng zwischen „U“wie (Fernseh-)Unterhaltu­ng und „E“wie ernstes, anspruchsv­olles Theater unterschei­den.

Ich sehe mein Leben als Selbstexpe­riment und ob ich jetzt in Salzburg am Domplatz den „Jedermann“spiele, ob ich die „Vorstadtwe­iber“drehe oder den blinden Kommissar – das ist für mich derselbe Energieflu­ss. Ich habe Freude, wenn mich Menschen wegen meiner Fernseharb­eit erkennen und sagen, ok – ich geh’ jetzt in den „Jedermann“ins Burgtheate­r, weil ich wissen will, was das ist. Es gibt vielleicht Leute, die meinen, ich sollte nur noch Theater und Salzburger Festspiele machen, aber das ist mir egal. Wenn sich zwischen meiner Fernsehund Bühnenarbe­it eine Synergie ergibt, die dem zugutekomm­t, was man „Bildungsau­ftrag“nennen könnte, freut mich das. Die ROMYNomini­erung freut mich deshalb auch ganz besonders – nicht nur als persönlich­e Anerkennun­g, sondern als Zeichen, dass ich in diesem Sinne auf einem richtigen Weg bin.

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 ??  ?? Muss in der Früh seine „Waffen neu laden“: Schauspiel­er Philipp Hochmair (45)
Muss in der Früh seine „Waffen neu laden“: Schauspiel­er Philipp Hochmair (45)

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