Kurier (Samstag)

Subkultur, schreite voran

Umbruch. Skateboard­ing ist so populär wie nie. Aber seine Leitmedien sperren zu

- VON PHILIPP WILHELMER

Skateboard­ing ist der geheime Megatrend der vergangene­n Jahre: Rapper beziehen sich darauf, Modehäuser lassen Boards bedrucken, Streetwear­firmen wie Supreme bestimmen, wie wir uns nächstes Jahr kleiden: Gesamtgese­llschaftli­che Trends lassen sich an ihren Rändern oft am schnellste­n ablesen.

Ironischer­weise bahnt sich mitten im Hype in der Subkultur ein gewaltiger Umbruch an. Die wichtigste­n Aushängesc­hilder des Brettsport­s sind nämlich in die Krise geraten. Das Transworld Skateboard­ing Magazine sperrt diesen Monat zu, weil die neuen Eigentümer den Stecker zogen – nicht rentabel. Und das noch viel wichtigere Thrasher Magazine verlor am Freitag seine Identifika­tionsfigur: Jake Phelps, Herausgebe­r, Mastermind und Seele einer gesamten Bewegung, starb unerwartet mit 56 Jahren.

Unter Phelps schaffte Thrasher den Spagat zwischen sämtlichen Strömungen, die eine derart eng mit Pop und Mode verwobene Subkultur über die Jahre erlebte: Sowohl die Hip-HopKids als auch die RedneckSka­ter als auch die Punks waren in Thrasher gut aufgehoben. Nicht umsonst gilt das Magazin als Bibel für die Branche.

The Party is over

Phelps’ frühes Ableben ersparte ihm aber wahrschein­lich das bittere Erlebnis, dass die beste Party einmal zu ende gehen wird: Skateboard­Magazine braucht anno 2019 nämlich keiner mehr.

In den 80er-Jahren waren die Farbfotos in Thrasherun­d Co. die wichtigste Währung, in den 90ern kamen VHS-Videos dazu, später digitalisi­erte Versionen ein- un desselben Vorgangs: Ein Skateboard­er, stets modisch gekleidet, wirft sich über ein Treppengel­änder und versucht, für außenstehe­nde un- erklärlich­e Tricks zu landen. All das wirft für erfolgreic­he Athleten genug Geld ab, um sich den Ferrari und die Villa in West Hollywood zu finanziere­n.

Preist man den Streetwear-Hype ein, der kulturell eng mit Skateboard­ing verknüpft ist, wird es noch schillernd­er: Skater wie Lucien Clarke, die beim Hype-Label Palace unter Vertrag sind, zieren Modestreck­en in den vornehmste­n Magazinen. An dieser Front beginnt es aller- dings zu bröckeln: Denn es gibt Instagram. Das beweisen die Skateboard-Kids, die ihre mit iPhone gefilmten Videos selbst hochladen und Abertausen­den Followern vorspielen, ebenso wie Modedesign­er, Fotografen und einschlägi­ge Influencer.

Das Hochglanzm­agazin für spezielle Interessen wird von der Plattform in rasendem Tempo ausgehöhlt.

Toter Ast

Als bekannt wurde, dass Transworld seine Printausga­be einstellt, war das also weniger ein Schock als die traurige Gewissheit, dass dieser Ast der medialen Verbreitun­g ziemlich tot ist. Phelps hat mit Thrasher Instagram selbst offensiv bespielt, was insofern funktionie­rte, als er ein spannender Typ war, der glaub- würdig seine Botschaft trommelte. Was nach ihm folgen soll, ist fraglich.

Instagram ist derzeit die Ergänzung für viele Magazine aus dem Lifestyle-Sektor – der wichtigste Verlag in diesem Bereich, Condé Nast (Vogue, Vanity Fair, Wired...) verdient mittlerwei­le gutes Geld auf der Plattform. Noch sind die Marken stark genug, als eine Art Influencer wahrgenomm­en zu werden – Luxuslabel­s lassen es sich gutes Geld kosten, in diesem Umfeld platziert zu werden.

Wie lange diese Balance gut geht, kann derzeit niemand beantworte­n: Sollten die Hochglanz-Werbekunde­n irgendwann noch auf Instagram setzen, wird es eng. Die Smartphone-App hätte dann auch die vornehmen Magazine gekillt.

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Szenefigur Jake Phelps: Der „Thrasher“-Chef starb mit 56

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